Work-Life-Balance

Sogenannte Influencer propagieren heute einen Lebensstil, der möglichst viel Freizeitaktivitäten umfasst und Arbeit als lästige Unterbrechung davon definiert. Viel zu arbeiten ist offenbar heute nicht mehr angesagt. Maximal vier Tage und sicher keine Überstunden. Weil das Wochenende schon am Donnerstag beginnen muss. Keine Frage, für jene Erben, die bereits von ihrer Familie eine Wohnung oder ein Haus auf ihren Lebensweg mitbekommen, geht sich diese Rechnung aus. Und mehr Zeit für sich selbst, seine Kinder und seine Freunde zu haben, klingt per se nicht schlecht. Vor allem, wenn man Arbeit nur als Belastung und nicht auch als Bereicherung für sein Leben empfindet.
„Das kann man mögen, muss man aber nicht, weil es ein weiterer Schritt weg vom Versicherungsprinzip darstellt.“
Dass ganz wesentliche Teile unseres Sozialsystems auf Erwerbsarbeit aufbauen, wird bei dieser Betrachtung natürlich ignoriert, um Jahrzehnte später dann darüber zu jammern, dass nach einem Leben voller Arbeit nur eine kleine Pension herauskommt. Nicht ganz zufällig kommt auch aus dieser Ecke deshalb zunehmend der Ruf, unser bewährtes Pensionssystem sollte in Richtung einer Volkspension umgebaut werden. Diese würde dann allen in Österreich wohnhaften Personen, unabhängig ihrer Beitragsleistung, zustehen. Das kann man mögen, muss man aber nicht, weil es ein weiterer Schritt weg vom Versicherungsprinzip darstellt. Schon derzeit bewirkt die jahrelange, überdurchschnittliche Erhöhung der Ausgleichszulage – das ist sozusagen die weitgehend beitragsfreie Mindestpension in Österreich –, dass die Pensionen von Menschen mit niedrigem Erwerbseinkommen nur unwesentlich höher sind, als jene der Bezieher der Ausgleichszulage. Das ist weder gerecht noch sozial und nur Ausdruck eines falsch verstandenen Versorgungsauftrags des Staates.
Was viel mehr Not tun würde, als derartige Entwicklungen zu verstärken, wäre die Aufwertung der Erwerbsarbeit. Nicht nur finanziell, sondern auch im Hinblick auf das gesellschaftliche Ansehen. Spitzenleistung bei der Arbeit sollte im Idealfall genauso wertgeschätzt sein, wie Spitzenleistungen im Sport. Für die ganz überwiegende Zahl der Menschen zahlt die Erwerbsarbeit nicht nur die Miete und die Leasingrate für das Auto, sondern stellt eine sinngebende und erfüllende Tätigkeit dar, die zur persönlichen Zufriedenheit und zum gesellschaftlichen Zusammenhalt beiträgt.
Und, was in diesem Zusammenhang nicht vergessen werden sollte: Wir haben unseren Wohlstand weder Ölquellen noch wertvollen Bodenschätzen zu verdanken, sondern ausschließlich dem Fleiß und der Ausdauer der erwerbstätigen Menschen.
Rainer Keckeis ist ehemaliger AK-Direktor Vorarlberg und früherer Feldkircher VP-Stadtrat.