Bannmeile: Zum Landtag sollte kein Fußmarsch möglich sein

Warum früher auch in Feldkirch nicht demonstriert werden durfte, wenn der Landtag tagte.
Wien, Bregenz Ein kleiner Rückblick: Vor wenigen Wochen durften Klimaschutzaktivisten während einer Sitzung nicht vor dem Landtag in Bregenz demonstrieren und wichen deshalb auf die Seestraße aus. Das war möglich, weil diese außerhalb der Bannmeile von 300 Metern rund um das Landhaus liegt. Bis 1968 hätte aber kein Ort in Bregenz gerreicht: Denn damals lag die Bannmeile bei 38 Kilometern – während Landtagssitzungen waren damit selbst Proteste in Feldkirch untersagt. Doch was steckt dahinter?
“Bewusste Verwaltungsübertretungen”
„Es sind bewusste Verwaltungsübertretungen. Wir wollen nicht den Landtag stören, sondern die politischen Entscheidungsträger darauf aufmerksam machen, gegen die Klimakatastrophe vorzugehen.“ So begründet Klimaschutzaktivistin Marina Hagen-Canaval („Extinction Rebellion“), warum sie regelmäßig – trotz Bannmeile – demonstriert. Die VN berichteten. Von Nikolaus Brandtner, Präsident des Vorarlberger Landesverwaltungsgerichts, heißt es zu den VN, dass zum Versammlungsgesetz seit 1. Jänner 2023 rund 65 Verwaltungsstrafverfahren am Gericht angefallen sind: “Ich wage zu behaupten – und eine stichprobenartige Überprüfung hat das bestätigt -, dass die meisten dieser Verfahren solche Verstöße [gegen die Bannmeile im Versammlungsgesetz] zum Inhalt haben.”
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Doch wie kam es zu der 300-Meter-Grenze für Demonstrationen, die übrigens von der Außengrenze des Gebäudes gemessen wird, wie der Verfassungsgerichtshof einmal entschieden hatte? Als mit dem Staatsgrundgesetz von 1867, das heute noch gilt, die Versammlungsfreiheit in Österreich garantiert wurde, galt sie nicht absolut. Wegen einer Bannmeile von fünf österreichischen Post-Meilen, also von rund 38 Kilometern, rund um Sitzungen von Parlamenten: „Das entspricht der Distanz, die an einem Tag zu Fuß zurückgelegt werden kann. Durch diese Bestimmung sollte meines Erachtens verhindert werden, dass eine im Umkreis eines Tagesmarsches versammelte Gruppierung tagende Landtage oder das Parlament gefährden könnte“, schreibt Doris Alice Corradini aus dem Parlamentsarchiv in Wien auf VN-Anfrage. Für Vorarlberg bedeutete dies: Tagte der Landtag in Bregenz, durfte selbst in Feldkirch keine Demonstration stattfinden.
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Diese bemerkenswerte Einschränkung des Versammlungsrechts blieb bis 1968 erhalten, als das Versammlungsgesetz von der ÖVP auf Bundesebene angepasst und die Bannmeile auf 300 Meter verkleinert wurde. „Nicht zuletzt angesichts der Studentenunruhen in anderen Staaten wollte die ÖVP auf die Bannmeile nicht verzichten“, schreibt Ulrich Nachbaur, Leiter des Vorarlberger Landesarchivs, in einer Publikation zum Thema. Doch der Vorarlberger Landesregierung gingen die 300 Meter nicht weit genug: „Sie trat in ihrer Stellungnahme für einen Verbotskreis von 1 Kilometer ein, damit ein entsprechendes Handlungsfeld bestehe, um gegen Versammlungen, die die Verbotszone nicht respektieren, Maßnahmen zu ergreifen“, schreibt Nachbaur weiter.
Probleme für den Herrn Kollegen Probst?
Erhört wurde dieser Wunsch vom Nationalrat nicht. Auch nicht, als Werner Melter, FPÖ-Abgeordneter aus Bregenz, bei der Sitzung am 23. Oktober 1968 noch einmal auf die Situation in der Landeshauptstadt aufmerksam machte: Die 300 Meter hätten laut ihm in Bregenz Probleme bereiten können, da sich damals noch der Bahnhof innerhalb der Bannmeile befand. Und wer könne schon wissen, was da mit dem Zug angefahren kommt: „Herr Kollege Probst hat in Vorarlberg schlechtere Erfahrungen gemacht als andere in Wien.“
Vier Jahre zuvor wurde das Schiff auf „Vorarlberg“ getauft – nicht von Otto Probst auf „Karl Renner“.
Mitarbeit: Michael Prock