Zwei Jahre nach Russlands Angriff: „Der Widerstandswille ist immer noch groß“

Gerhard Mangott über den Stand der Dinge im russischen Angriffskrieg auf die Ukraine – zwei Jahre nach dem Beginn am 24. Februar 2022.
Kiew, Moskau, Innsbruck In den kommenden Monaten erwartet Gerhard Mangott keine großen Veränderungen der Situation in der Ukraine: „Der Krieg ist seit etwa vier Monaten ein Stellungskrieg, ein Abnutzungskrieg. In diesem Jahr scheint es nur um eine Strategie der aktiven Verteidigung zu gehen“, sagt der Politikwissenschaftler für Internationale Beziehungen und Sicherheit im postsowjetischen Raum an der Universität Innsbruck im Gespräch mit den Vorarlberger Nachrichten. Anlass ist der traurige, zweite Jahrestag des russischen Angriffs.
Für die Ukraine bedeute das: “Es kommt in diesem Jahr nur darauf an, die Frontlinie zu halten und russische Vorstöße darüber hinaus abzuwehren“, sagt Mangott. „Die Zweckoptimisten glauben, dass 2025 dann wieder ein Jahr sein könnte, in dem die Ukraine in die Offensive geht.“
In 24 Stunden
Ob das so funktioniert, hänge aber vor allem von den Vereinigten Staaten ab. Dort findet bekanntermaßen im November die Präsidentenwahl statt – wahrscheinlich mit einer Neuauflage des Duells von 2020: mit dem Amtsinhaber, Joe Biden, und dessen Vorgänger im Amt, Donald Trump.

Trump kündigte in der Vergangenheit an, den Krieg in der Ukraine in 24 Stunden beenden zu können – wohl ohne auf die Interessen des angegriffenen Staates und im weiteren Sinne auch der europäischen Partner in der Nato Rücksicht zu nehmen. Bereits jetzt stehen die US-Militärhilfen für die Ukraine angesichts der Mehrheit der Republikaner im Repräsentantenhaus immer wieder auf der Kippe.
Große Mehrheit hinter dem Krieg
„Natürlich wird viel davon abhängen, wie es mit westlicher – und vor allem mit US-amerikanischer – militärischer und finanzieller Hilfe weitergeht“, sagt Gerhard Mangott. Eher sei aber davon auszugehen, dass es bis Ende des Jahres bei einem Abnutzungskrieg bleiben wird.

Der Widerstandswille in der Ukraine sei weiter groß, trotz der aktuell schwierigen militärischen Situation, sagt Mangott. „Obwohl die Zahl derer, die kriegsmüde sind, steigt, steht immer noch die große Mehrheit im Land hinter diesem Krieg.“ Aber: „Natürlich nicht mehr mit der großen Zuversicht, die man letztes Jahr hatte. Die Zahl derjenigen, die leichte Zweifel haben an der Möglichkeit eines ukrainischen Sieges, steigt.“
Wobei nicht sicher sei, was der „ukrainische Sieg“ überhaupt genau bedeutet, das sagt Mangott. „Das militärische Ziel, das die ukrainische Führung ausgegeben hat, nämlich die Rückeroberung aller Gebiete, ist groß.“

Denn: „Das gesamte Territorium der Ukraine ist für die Ukraine militärisch nicht erreichbar. Und das wird auch so bleiben.“ Es könne aber bei einem noch längeren Abnutzungskrieg zu einer neuen Situation kommen. „Wenn die aktuelle Situation noch weiter anhält und dadurch irgendwann beide Kriegsparteien erschöpft sind, kann es gut sein, dass man sich dann doch zusammensetzt und zumindest über einen Waffenstillstand verhandelt“, sagt Gerhard Mangott. „Aber im Augenblick ist das nicht zu erwarten.“
„Und in absehbarer Zeit auch nicht.“
