Wachstum nicht um jeden Preis

Nicht erst seit der Klimakrise werden unzählige theoretische Ansätze für eine Zukunft ohne Wachstum diskutiert. Tatsächlich ist die Kritik am permanenten Wirtschaftswachstum hinsichtlich der Auswirkungen auf die Umwelt verständlich. Mehr Bodenverbrauch, mehr Luftverschmutzung, mehr Pestizide und Düngemittel in der Landwirtschaft sowie die Ausbeutung der Meere bringen die Erde langfristig an den Rand eines ökologischen Desasters. Trotzdem wäre eine radikale Kehrtwendung mit einer Unmenge an Verboten und Einschränkungen für Produzenten wie Konsumenten genauso schlecht, wie die Augen vor der Wirklichkeit zu verschließen. Was wir künftig brauchen ist nicht eine platte „degrowth-Strategie“, sondern eine intelligente Kursänderung in der Wirtschaftspolitik.
„Lastenräder sind keine Antwort auf die Mobilitätsanforderungen der Zukunft.“
Wachstum, das besonders umweltschädlich ist und keinen sozialen Nutzen stiftet, sollte über staatliche Lenkungsmaßnahmen verhindert werden. Dazu benötigt es aber einen gesellschaftlichen Konsens über die anzustrebenden sozialen und ökologischen Ziele. Ob deren Erreichung dann mit oder ohne Wirtschaftswachstum möglich ist, spielt nicht mehr die entscheidende Rolle. Denn Wirtschaftswachstum ist nicht per se umweltschädlich.
Mehr und höherwertige Dienstleistungen, höhere Produktivität und sinkender Energie- und Rohstoffeinsatz in der Produktion können zur Erreichung der erwünschten Ziele führen. Hilfreich wäre in diesem Zusammenhang eine technik- bzw. technologiefreundliche Grundhaltung in der Gesellschaft. Einfach ausgedrückt: mit Lastenrädern allein werden wir die Mobilitätsanforderungen der Zukunft sicher nicht meistern, mit modernen Nah- und Fernverkehrsangeboten vielleicht schon.
Der Ausstieg aus den besonders umweltschädlichen Energieträgern Gas und Kohle erfordert machbare Alternativen zu konkurrenzfähigen Preisen. Dazu braucht es eine stärkere Gestaltungs- und Durchsetzungskraft der Politik und deutlich mehr Spielraum für unternehmerisches Wirken. Weniger Bürokratie und raschere Verfahren können einen entscheidenden Beitrag zur Transformation der Wirtschaft leisten. Das zeigt ein Blick in den fernen Osten, wo China auf dem besten Wege ist, Europa wirtschaftlich zu überholen. Von der dortigen Dynamik etwas zu lernen, macht auch für die westlichen Industrieländer Sinn. Wir können zur Verbesserung der ökologischen Situation auf eines sicher nicht verzichten: auf die Innovationskraft der Unternehmen.
Nach einem verbindlichen Bekenntnis zu ökologischen wie auch sozialen Zielen könnte die Entfesselung unserer Unternehmen von überbordender Bürokratie und lähmenden Behördenverfahren zu einem entscheidenden Erfolgsfaktor werden.
Rainer Keckeis ist ehemaliger AK-Direktor Vorarlberg und früherer Feldkircher VP-Stadtrat.