Michael Prock

Kommentar

Michael Prock

Das Wohndilemma

Politik / 03.04.2024 • 17:21 Uhr

In einem sind sich nahezu alle in Vorarlberg einig: Wohnen ist teuer geworden, für viele zu teuer. Die Politik hat das Problem erkannt. Ganz die nahende Wahl im Fokus, versuchen die Regierenden in Vorarlberg und Wien, einzelne Maßnahmen als großen Wurf zu verkaufen. PR-tauglich sind Wohnbaumilliarde, Gebührenbefreiung und Wohnbauförderung allemal. Sie täuschen aber über die Komplexität hinweg, die dem Thema innewohnt – Beispiel Leerstandsabgabe.

Vermögende Spekulanten, die eine Wohnung kaufen und mit der Wertsteigerung hohe Renditen erzielen? Dabei auf lästige Mieter verzichten? Dieses Stereotyp steckt hinter der Idee der Leerstandsabgabe. Mit einer empfindlichen Steuer sollen sie animiert werden, ihre Wohnung zu vermieten. Das bringt Wohnraum, entspannt den Markt und damit den Preis.

Wäre es nur so einfach.

Hinter den leeren Wänden steckt mehr. Martin Fussenegger wollte seine Wohnung vermieten, gedankt wird’s ihm mit einer Ruine. Zudem stehen viele leere Häuser nicht im Rheintal, sondern im Bregenzerwald. Vererbte Bauernhäuser, die zu renovieren eines finanziellen Kraftakts bedarf. Von 8000 leeren Wohnung in Vorarlberg sind rund 2000 in einem marktkonformen Zustand. Nur diese mit einer Leerstandsabgabe zu treffen, gleicht der Quadratur des Kreises.

Seit 1. April ist die Grundbuchgebühr für den Hauptwohnsitz für zwei Jahre ausgesetzt. Wer jetzt eine Wohnung kauft, spart sich bis zu 11.500 Euro, wirbt die Regierung. Immerhin, aber: Wer sich bisher keine Wohnung leisten konnte, wird das auch ohne Gebühr nicht können.

Führende Politikerinnen und Politiker haben die strengen Kreditvergaberichtlinien als großes Übel identifiziert. Ein bequemer Parasit im Fleisch der Wohnpolitik: Eingeführt von der weisungsfreien Finanzmarktaufsicht, kann die Politik schimpfen, ohne tätig zu werden. Dass die Nationalbank vor allem hohe Kreditzinsen für den Nachfrageeinbruch verantwortlich machen, verhallt in Nebensätzen. Wobei: Vor zehn Jahren waren Zinsen in dieser Höhe kein Problem. Häuser und Wohnungen kosteten aber fast die Hälfte. Weshalb die Preise auch im Vorjahr weiter gestiegen sind, ist Experten sowieso ein Rätsel. Die Baukosten haben sich seit Anfang 2023 nicht verändert.

Vieles bleibt zudem unbeantwortet: Wie kann gehortetes Bauland mobilisiert werden? Was geschieht mit einem Mietrecht, das viele Eigentümer daran hindert, ihre Wohnung zu vermieten? Können Mieten ins Unendliche steigen?

Zumindest budgetär scheint es keine Grenzen zu geben: Wohnbauförderung, Wohnbaumilliarde, Bodenfonds, Wohnbeihilfe, Heizkostenzuschuss, Handwerkerbonus, Steuersenkungen, Gebührenstopp … Im Kern dreht sich jede Abgabe und jede Beihilfe um die Frage, wie sehr die Politik in den Markt eingreifen soll. Solange wir das grundsätzlich nicht entschieden haben, bleiben Einzelmaßnahmen. Damit wir uns das Dach über dem Kopf leisten können.