Vorarlberg möchte die Nachbarschaftshilfe zurück

Politik / 10.05.2024 • 15:36 Uhr
Vorarlberg möchte die Nachbarschaftshilfe zurück
Die Caritas Nachbarschaftshilfe galt lange Zeit als Erfolgsprojekt. Geht es nach Landeshauptmann Markus Wallner, soll sie wieder eingeführt werden. Er hofft auf den Bund. Caritas, VN

Vorarlberg Kodex mit Arbeitspflicht sorgt für Diskussionen um die möglichen Jobs. Land und Caritas fordern deshalb, dass ein altes Modell wieder eingeführt wird.

Bregenz Acht Jahre liegt der Zeitpunkt schon zurück, als die Caritas auf Geheiß der damaligen Bundesregierung ein für Vorarlberg erfolgreiches Projekt abdrehen musste. Die Nachbarschaftshilfe ermöglichte Asylwerbern, Menschen zum Beispiel im Garten oder bei anderen Aufgaben zu helfen und dafür etwas Geld zu bekommen. Asylwerber hatten einen Tagesablauf, lernten Deutsch, Werte und Menschen kennen und konnten sich etwas dazuverdienen. Die Experten waren sich einig: Das fördert die Integration. Doch da Asylwerber bis auf wenige Ausnahmen nicht arbeiten dürfen, musste die Caritas damit aufhören. Am Freitag hat die Landesregierung gemeinsam mit der Caritas den „Vorarlberg Kodex“ präsentiert, eine Integrationsvereinbarung für Asylwerberinnen und Asylwerber. Inklusive Verpflichtung für gemeinnützige Tätigkeiten – was den Ruf nach der alten Nachbarschaftshilfe wieder laut ertönen lässt. Auch von Landeshauptmann Markus Wallner.

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Im selben Jahr, als die Nachbarschaftshilfe abgedreht wurde, führte die Landesregierung die Integrationsvereinbarung für Asylberechtigte ein. Sie verpflichtete Flüchtlinge, sich eine Arbeit zu suchen sowie Deutsch- und Wertekurse zu besuchen. Sollten sie das trotz mehrerer Aufforderungen nicht tun, kann die Sozialhilfe gekürzt werden. Im Jahr 2023 traf das auf 14 Flüchtlinge zu – von 3700, die Sozialhilfe bekommen haben. Jetzt wird diese Integrationsvereinbarung auf Asylwerber ausgeweitet, was eine Kehrtwende in der Asylpolitik der ÖVP darstellt.

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Lange Zeit wollte man Integrationsmaßnahmen erst nach dem Asylverfahren beginnen. Mittlerweile betont Landeshauptmann Wallner: „Das ist ein wichtiger Schritt, dass die Integrationsbemühungen ab der ersten Minute beginnen.“ 1750 Asylwerber gibt es momentan in der Vorarlberger Grundversorgung. Sie müssen ab Juni unterschreiben, dass sie Deutschkurse und Wertekurse besuchen sowie Hilfstätigkeiten und Qualifizierungsmaßnahmen absolvieren. Sanktionen sind vorerst nicht geplant.

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Bernd Klisch, Leiter der Caritas Flüchtlingshilfe, findet das den richtigen Weg. Sanktionen seien nicht nötig. Schließlich gibt es nicht zu wenig Asylwerber, die arbeiten möchten, sondern zu wenig Möglichkeiten dazu. Die ersten zwei Fragen der Neuankömmlinge sind meistens: Wo gibt es einen Deutschkurs und wo gibt es Arbeit?“ Dass sich Asylwerber selbst dazu verpflichten, sei positiv. Vor allem aber der Umstand, dass sich damit auch das Land verpflichtet, Angebote zu schaffen.

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Auch für Integrationsexpertin Eva Grabherr von okay.zusammenleben ist der aktuelle Vorschlag in Ordnung. „Die Kritik war immer, dass das Land zwar etwas fordert, aber kein Angebot schafft. Das wäre Populismus. Die Ansage, dass man dafür Sorge trägt, gemeinsam mit Vereinen und Gemeinden Angebote zu schaffen, kann man nur begrüßen.“ Der Vorschlag sei konstruktiver, sachlicher und realistischer als vor ein paar Monaten, sagt Grabherr. „Das Thema ist ja nicht neu. Natürlich darf man eine Unterschrift verlangen, das ist für Geflüchtete das geringste Übel. Aber das Vorhaben muss sachlich und konstruktiv bleiben.“ Das sei der Fall – auch weil nicht sofort über Sanktionen gesprochen wird. Wallner behält sich solche aber vor: Nach einem Jahr möchte man sich ansehen, ob die Vereinbarung eingehalten wird. Sonst wird das Gesetz geändert, damit die 40 Euro Taschengeld pro Monat gekürzt werden können. Der Grüne Koalitionspartner hält nichts von dieser Sanktionsmöglichkeit. „Die Kürzung von 1,3 Euro pro Tag ist aus unserer Sicht nicht sinnvoll“, betont Landesrat Daniel Zadra.

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Angebote schaffen, das bedeutet: mehr Deutschkurse anbieten und mehr Möglichkeiten zur Arbeit. Asylwerber dürfen höchstens 110 Euro dazu verdienen, das sind 27 Stunden pro Monat für 4 Euro Stundenlohn. Im ersten Halbjahr 2016 leisteten Asylwerber 22.000 Stunden gemeinnützige Tätigkeit. Dann wurde die Nachbarschaftshilfe abgedreht. Im Vorjahr haben Asylwerber 1800 Stunden gearbeitet, mehr Jobs gab es nicht. Das soll sich ändern. Landesrat Christian Gantner möchte jetzt die Gemeinden bestärken, wieder solche Hilfstätigkeiten anzubieten. Zum Beispiel als Schülerlotsen oder wenn es um Gärtner-Arbeiten geht. Wallner betont zudem: „Wenn uns die Bundesregierung helfen möchte, dann sollte sie die Möglichkeiten der gemeinnützigen Tätigkeit ausweiten.“ Nachsatz: „Am besten so wie die alte Nachbarschaftshilfe.“ Aus dem Innenministerium heißt es dazu: „Die Möglichkeiten, wo und wie gemeinnützige Arbeit geleistet werden kann, werden gegenwärtig aktualisiert.“ Ob der „Wunsch Vorarlbergs“ (Zitat Gantner) nach einer neuen Nachbarschaftshilfe berücksichtigt wird, steht aber noch nicht fest.

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