Wie es um den Schutz unserer Politiker steht: “Ich fühlte mich nicht mehr wohl”

Politik / 16.05.2024 • 10:55 Uhr
Wie es um den Schutz unserer Politiker steht: "Ich fühlte mich nicht mehr wohl"
Die Polizei und der Verfassungsschutz kennen den Terminkalender des Landeshauptmannes. APA

Vorarlberger Politiker haben keine Angst vor Übergriffen im Alltag, berichten aber auch von Drohungen und heftigen Situationen.

Schwarzach Plötzlich stand jemand vor der Haustüre. Landeshauptmann Markus Wallner erinnert sich gut an diese Situation: „Ich fühlte mich nicht mehr wohl, war mir nicht sicher, ob die Aggressivität in Zaum gehalten werden kann. Ich wusste nicht, wie es weiter geht.“ Das war glücklicherweise ein Einzelfall, zu einem Übergriff kam es nicht, berichtet der Landeshauptmann. Er fühle sich als Politiker sicher im Land. „Ich habe meinen Kontakt zu Bürgerinnen und Bürgern nie eingeschränkt und bin viel unterwegs.“ Personenschutz hat Wallner nicht, aber die Polizei und der Verfassungsschutz würden seinen Terminkalender kennen und bewerten, ob sie vor Ort sein müssten. Spätestens seit dem Angriff auf den slowakischen Premierminister Robert Fico rückt die Frage nach der Sicherheit von Politikern wieder in den Fokus.

Interview LH Wallner

Demonstranten versammelt sich während der Pandemie sogar vor Wallners Haus. VN

Rauch verzichtet auf Personenschutz

Und trotzdem: Auch Sozial- und Gesundheitsminister Johannes Rauch verzichtet auf Personenschutz, wenngleich ihm zu seinem Amtsantritt ein solcher nahegelegt worden sei. „Ich habe ihn damals abgelehnt“, gleichzeitig aber einige Vorsichtsmaßnahmen getroffen. Bei seinem Wechsel in die Bundespolitik war die Stimmung in der damals auslaufenden Coronapandemie sehr aufgeheizt. Manchmal seien die Reaktionen heftig gewesen, aber negative Reaktionen gehörten im Kontakt mit den Menschen dazu. Ruhige und sachliche Kommunikation hätten geholfen.

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Johannes Rauch spürt eine Emotionalisierung. VN/STeurer

Gleichzeitig betont Rauch, dass eine Emotionalisierung wieder spürbar sei. Auch Wallner erkennt zunehmendes aggressives Verhalten, vor allem gegenüber der Polizei oder bei Sicherheitskontrollen. „Es sind Trends vorhanden, die ich nicht direkt auf die Politik beschränken würde“, erklärt der Landeshauptmann.

“Anstieg von Drohungen”

Das Innenministerium berichtet, dass Drohungen gegen Politikerinnen und Politiker bundesweit zunehmen. Mit der Pandemie habe sich die Lage zugespitzt. Auch Debatten zur Klimakrise sowie zum russische Angriffskrieg in der Ukraine oder zum Israel-Gaza-Konflikt führten zu mehr Bedrohungen.

Innenminister Gerhard Karner im Interview bei Vorarlberg LIVE
Als Innenminister Gerhard Karner zu Jahresbeginn zu Gast in Schwarzach war, wurde er bis ins Studio von Personenschützern begleitet. VN

Drei Spitzenpolitiker erhalten permanenten Personenschutz. Das sind Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Bundeskanzler Karl Nehammer und Innenminister Gerhard Karner. Die VN wissen aus gesicherten Quellen, dass weitere Politikerinnen und Politiker aktuell von Personenschützern begleitet werden. Hier ist von einem situativen Personenschutz die Rede, etwa bei einer konkreten Drohung. Genauere Auskünfte gibt das Innenressort aus Sicherheitsgründen nicht.

Die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) warne seit Monaten vor extremistischen, gewaltbereiten Tendenzen, sagt DSN-Chef Omar Haijawi-Prichner. Man nehme tägliche Gefährdungseinschätzungen vor und passe diese an.

Drohungen wird nachgegangen

Drohungen sind für Politiker nichts Fremdes. Auch Wallner kennt sie: „Drohbriefe, Drohmails: Das findet statt. Dem wird auch nachgegangen, wenn sie ein bestimmtes Level überschreiten“, wobei Wallner betont, dass es sich um Einzelfälle handelt. Rauch ergänzt, dass viel Ärger im Gespräch weiche, wenn man den Menschen zuhöre. „Dann fühlen sie sich ernstgenommen.“ Der Kontakt zu den Bürgerinnen und Bürgern sei wichtig. Gleichzeitig warnt der Sozial- und Gesundheitsminister vor grenzüberschreitender Sprache. „Sie verschärft die Spaltung unserer Gesellschaft. Demokratie braucht das Gespräch, den Respekt vor unterschiedlichen Meinungen.“

ABD0047_20230629 – WIEN – …STERREICH: Der Leiter der Direktion fŸr Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) Omar Haijawi-Pirchner am Donnerstag, 29. Juni 2023, anlŠsslich einer Pressekonferenz mit dem Thema “Extremistische GefŠhrdungslage” in Wien. – FOTO: APA/ALEX HALADA
Man warne seit Monaten vor gewaltbereiten Tendenzen, sagt DSN-Chef Omar Haijawi-Prichner. APA

Wallner schätzt sich glücklich, dass die Lage in Österreich noch relativ sicher sei. Die Pandemie sei eine Ausnahmesituation gewesen. Demonstranten hätten sich Zugang auf sein Grundstück verschafft und vor seinem Haus protestiert. Die Polizei war eine Zeit lang auch in der Nacht anwesend, um die Sicherheit des Landeshauptmannes und seiner Familie zu gewährleisten. „Das war unangenehm. Da brauchten wir Unterstützung.“ Letztlich seien die Demonstrationen aber friedlich verlaufen.