Wie ausländisch ist Vorarlberg?
Am Samstag der vergangenen Woche wendeten wir uns hier von der Provinzposse rund um Lena Schilling ab und begaben uns auf die Bühne der Weltpolitik (also zumindest halb). Wir besprachen den Besuch des britischen Premierministers (Weltpolitik) beim österreichischen Bundeskanzler (keine Weltpolitik). Wir könnten es dieses Mal ähnlich machen und über Donald Trumps Verurteilung (Strafrecht!) in erster Instanz sprechen. Tun wir aber nicht – dieses Urteil und die Auswirkungen auf die US-Präsidentschaftswahlen wird ohnehin überall kommentiert.
Sprechen wir über unsere eigenen Wahlen! Am kommenden Wochenende wird bekanntlich das EU-Parlament gewählt. Sie werden hier keine Wahlempfehlung finden, auch im nächsten Kommentar nicht. Sprechen wir lieber über Umfragen! Die FPÖ liegt bei allen Befragungen vorn. Drei Prozentpunkte Abstand zur zweitplatzierten SPÖ in der jüngsten Umfrage des „Standard“ ist deutlich, fix ist das aber nicht. Die ÖVP mit 22 Prozent wird das Rennen aber wohl nicht mehr machen. Interessant, aber nicht überraschend: Das sogenannte Ausländerthema in allen Varianten ist das wichtigste Wahlmotiv. Man wünscht sich einen besseren Schutz der EU-Grenzen gegen illegale Migration, Abschiebungen sollen erleichtert werden und – die ökonomische Tangente – „Schlüsselindustrien“ mögen nach Europa zurückgeholt werden.
Interessant finde ich diese Umfrage im Zusammenhang mit einer Aufstellung, die von der Statistik Austria am Dienstag publiziert wurde. Da wurde der Ausländeranteil an der Bevölkerung aufgegliedert nach Bundesländern erhoben. Wien liegt mit 35,4 Prozent weit vorn. An zweiter Stelle liegt mit 20,6 Prozent Vorarlberg knapp vor Salzburg mit 20,3 Prozent.
Warum ist das so interessant? Weil die Zahlen nicht zusammenpassen. Bekanntlich verfolgt die FPÖ seit Jahrzehnten die härteste Ausländerpolitik – gelegentlich berechtigt, häufig aggressiv hetzend. Daher könnte man annehmen, dass die Freiheitlichen dort besonders stark sind, wo der Ausländeranteil besonders groß ist. Präziser noch: dort, wo es hohe Arbeitslosigkeit und hohe Kriminalitätsraten bei Ausländern gibt.
Davon kann aber keine Rede sein, diesen Zusammenhang gibt es nicht. Im Gegenteil: In Vorarlberg, dem Bundesland mit dem zweithöchsten Ausländeranteil, lag die FPÖ bei den Nationalratswahlen 2019 mit 14,7 Prozent auf dem drittletzten Platz im Vergleich mit ihrer Stärke in den anderen Bundesländern (gleichauf mit Tirol), in Salzburg (hoher Anteil) nur bei 13,1 Prozent. Und dann natürlich Wien: die höchste Ausländerquote und mit 12,8 Prozent das schlechteste FPÖ-Ergebnis.
Selbst wenn wir lokale Besonderheiten der Parteien berücksichtigen und wenn wir die regelmäßig weniger problematisch bewerteten EU-Ausländer herausrechnen: Wir sehen ganz eindeutig, dass Urteile über Ausländer wenig auf individuellen Erfahrungen mit Migranten basieren oder gar auf einer realen „Überfremdung“. Bei allem Wissen um die Schwächen der europäischen Integrationspolitik: Die Haltung der Menschen zur Migration ist sehr stark von Gefühlen und Vorurteilen geprägt. Damit spielen rechtspopulistische Parteien. Und – siehe Umfrage – diese Vorurteile werden das Ergebnis der EU-Wahl bestimmen.
Übrigens, und auch aus der zitierten Erhebung der Statistik Austria: Vorarlberger und Vorarlbergerinnen liegen bei der Ehedauer am letzten Platz in Österreich und die Scheidungsrate ist am zweithöchsten. Aber das ist eine ganz andere Geschichte.
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