Die Regression der Mitte
Mit dem heutigen Wahlergebnis setzt sich in Europa ein Trend fort, der sich in den Nationalstaaten schon seit vielen Monaten zeigt. Rechte Positionen legen zu. Doch woraus nährt sich der neue Rechtsruck? Der deutsche Humangeograf Daniel Mullis hat den Aufstieg der Rechten in Krisenzeiten analysiert. Er deutet ihn als Regression der Mitte. Das bedeutet, dass wir uns an Frieden, Wohlstand und einen ungebrochenen Aufwärtstrend gewohnt haben und als Selbstverständlichkeit und gegeben annehmen. Mit anderen Worten, dass unsere Gesellschaft durch den lang anhaltenden Aufschwung an Resilienz verloren hat, an Widerstandskraft. Pandemie, Krieg, Wirtschaftskrise – all das sind Anlässe, die Zukunftsängste schüren.
Doch geht es uns heute schlechter als der Generation unserer Großeltern? Die Antwort ist nein. Es geht uns besser. Geht es uns besser als der Generation unserer Eltern? Die Antwort ist ja. Es geht uns zumindest nicht schlechter. Kann das auch so bleiben? Kann es immer nur aufwärtsgehen? Vielleicht braucht die viel zitierte Mitte, die sich auch in dieser Wahl deutlich gezeigt hat, immerhin gibt es in Österreich drei annähernd gleich starke Parteien und eine Zunahme an Stimmen für die erfrischend wenig polemische Vernunftpartei der Neos, eine neue Perspektive, die sich nicht auf Quantitäten, sondern auf Qualitäten bezieht: nicht ausschließlich auf Wachstum, sondern auf Stabilität, nicht auf mehr, sondern auf angemessen, nicht auf laut, sondern auf klug.
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