Johannes Rauch zur EU-Wahl: “Dieses Ergebnis ist ein Weckruf”

Politik / 09.06.2024 • 22:33 Uhr
Interview Bilanz zwei Jahre Johannes Rauch. Wir treffen uns in der Amazone in Bregenz
Bundesminister Johannes Rauch möchte eine “Orbanisierung” in Österreich verhindern. VN/Philipp Steurer

Gesundheitsminister Rauch kündigt im VN-Interview an, dass ÖVP und Grüne den künftigen EU-Kommissar bestimmen werden. Und deutet an, dass das Finanzminister Magnus Brunner werden könnte.

Wien Die Enttäuschung über das Wahlergebnis ist Johannes Rauch anzumerken, das Grüne Urgestein gibt sich im Interview mit den Vorarlberger Nachrichten aber angriffslustig. Die Wahlen zum Europäischen Parlament seien als solche zu bewerten und hätten nichts mit der anstehenden Landtagswahl zu tun, sagt der Gesundheitsminister.

Herr Bundesminister, ist diese Ergebnis-Prognose eine Bestrafung für die bisherige Regierungsarbeit der Grünen?

Rauch Es sind Wahlen zum Europäischen Parlament und als solche würde ich sie einordnen. Angesichts dessen, dass ganz Europa wählt, ist es ein bisschen mühsam, das nur auf eine innenpolitische Debatte zu fokussieren. Ich bin froh, dass es trotz eines schwierigen Wahlkampfs gelungen ist, die zwei Mandate zu halten. Diese Demut und Dankbarkeit möchte ich ausdrücklich übermitteln. Aber wir wissen schon, dass wir mit Blick auf die Nationalratswahl an ein paar Schrauben drehen müssen, weil es darum gehen wird, ob wir Österreich tatsächlich der FPÖ überlassen – oder eben nicht.

Sie sagen, der Wahlkampf sei nicht ideal verlaufen. Ist das angesichts der Prognose nicht sogar eine Untertreibung?

Rauch Naja, wir waren in den Umfragen bei sieben, acht Prozent. Jetzt sind wir in der Prognose bei zehn Prozent – man wird sehen, was das Endergebnis bringen wird. Unter den gegebenen Umständen möchte ich unsere Kandidatin hervorheben: Lena Schilling hat das wirklich bravourös durchgestanden, auch [Listenzweiter, Anm.] Tom Waitz an ihrer Seite. Und es ist auch in der letzten Woche gelungen, die Stimmung ein bisschen zu drehen. Im Mittelpunkt steht, dass es um den Klimaschutz und um ein gemeinsames Europa geht.

Selbst bei den unter-30-Jährigen Wählerinnen und Wählern sind Sie nur drittstärkste Kraft – ex aequo mit der ÖVP. Ist das wirklich Ihr Anspruch?

Rauch Unser Anspruch ist natürlich besser. Ich habe in meinem Leben schon ganz viele Wahlkämpfe absolviert, ich habe Höhen und Tiefen erlebt. Und ich weiß auch, es geht im Herbst wirklich um extrem viel. Dieses Wahlergebnis ist ein Weckruf, für alle anderen Parteien jenseits der FPÖ. Weil es darum geht, in Österreich keine “Orbanisierung” zuzulassen.

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Auch in Vorarlberg zeichnen sich Verluste bei den Grünen ab. Was bedeutet das für die Ausgangssituation vor der Landtagswahl im Oktober?

Rauch Das sind komplett unterschiedliche Wahlen, gerade bei Landtagswahlen spielen die regionalen Einflüsse eine ganz andere Rolle. Ich bin sehr positiv gestimmt, wir sind mit [den Landesparteivorsitzenden, Anm.] Eva Hammerer und Daniel Zadra gut aufgestellt – die werden das gut machen.

Ist Werner Kogler als Spitzenkandidat für die Nationalratswahl gesetzt?

Rauch Ich habe in der langen Grünen Geschichte gelernt: Dem Bundeskongress greift man nie vor und der wählt in zwei Wochen die Kandidatinnen und Kandidaten, die vorn stehen werden. Und, ja, Werner Kogler wird sich als Spitzenkandidat bewerben.

Werden Sie Werner Kogler auch zum Spitzenkandidaten wählen?

Rauch Ich werde Werner Kogler wählen.

Die FPÖ ist erstplatzierte Partei. Wird die Bundesregierung nun einen FPÖ-Politiker als EU-Kommissar vorschlagen?

Rauch Die Nominierung des Kommissars, der Kommissarin obliegt der österreichischen Bundesregierung …

… der gehören Sie ja an.

Rauch … und zwar jener, die jetzt im Amt ist. Und das wird ein Kandidat oder eine Kandidatin aus den Reihen der Regierungsfraktionen sein – also entweder von der ÖVP oder von den Grünen.

Wird Finanzminister Magnus Brunner EU-Kommissar?

Rauch Ich weiß nicht, ob sich Magnus Brunner bewerben wird. Ich glaube, er hat sein grundsätzliches Interesse bekundet. Aber die Entscheidung ist noch nicht gefallen.

Bei diesem Interview handelt es sich um eine gekürzte und redigierte Abschrift des oben eingebetteten Video-Interviews mit Johannes Rauch.