Niemand will, dass Chaos ausbricht

Der Finanzminister warnt vor den finanziellen Folgen des EU-Renaturierungsgesetzes. Der Sozialminister fordert: “Einmal tief durchatmen”
Birgit Entner-Gerhold, Michael Prock
Schwarzach Niemand möchte, dass Chaos ausbricht. Die Koalition aus ÖVP und Grüne arbeite ungeachtet der Turbulenzen weiter, beteuern Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) und Sozialminister Johannes Rauch (Grüne). „Meine politische Erfahrung sagt: Einmal tief durchatmen”, sagt Rauch. “Ich verstehe auch, dass die Wogen manchmal hochgehen. Aber Leonore Gewessler hat letztlich eine sachpolitische Entscheidung getroffen.“

Am Montag stimmte Gewessler gegen den Willen der ÖVP und der meisten Bundesländer einem Umweltgesetz auf EU-Ebene zu. Dies soll die Wiederherstellung der Natur sichern. Das heißt: Es braucht unter anderem Pläne, um Moore und Flüsse in ihren natürlichen Zustand zurückzuversetzen. Die Mitgliedsstaaten müssten diese der Kommission vorlegen. Kritiker befürchten Eingriffe in die Raumordnung und zu viel Bürokratie.
Finanzielle Fragen nicht geklärt
„Prinzipiell war es verwunderlich für uns alle, dass sich eine Ministerin so gegen Bundesinteressen stellt und auf europäischer Ebene ohne Abstimmung mit der Bundesregierung vorgeht“, erklärt Finanzminister Brunner. „Sie hat gegen die klare Meinung des Verfassungsdienstes und gegen sieben Bundesländer gehandelt.“ Außerdem sei offen, wer die finanziellen Folgen des Renaturierungsgesetzes trage. „Was möchte Leonore Gewessler? Dass die Bundesländer das finanzieren? Oder schafft sie es selbst aus dem Budget ihres Ministeriums? Ich weiß es nicht, weil es nicht geklärt ist“, hält der Finanzminister fest.

“Nicht wie die Schwerkraft”
Rauch verteidigt seine Regierungskollegin: Es gebe keine eindeutige Judikatur, wie mit einheitlichen Länderstellungnahmen umgegangen werden soll – vor allem, wenn am Ende doch zwei Bundesländern ausscheren. „Da fehlt die Rechtsprechung.” Leonore Gewessler habe Gutachten dazu eingeholt, sich in Folge für den Umwelt- und Naturschutz entschieden und nicht taktisch, sondern sachpolitisch gearbeitet.
Von Verfassungsbruch könne keine Rede sein, reagiert Rauch auf Vorwürfe des Vorarlberger Landeshauptmannes Markus Wallner (ÖVP). “Ein Gesetz oder die Verfassung ist nicht wie das physikalische Gesetz der Schwerkraft. Es gibt immer Interpretationsspielräume.“
Kein Chaos, sondern weiterarbeiten
Der Finanzminister spricht dennoch von einem Vertrauensbruch. Auch sei das Vorgehen Gewesslers rechtlich und finanzpolitisch schwierig. Nun gehöre aber das Staatspolitische in den Vordergrund. „Die Projekte, die schon auf dem Weg sind, werden wir noch umsetzen.”

Johannes Rauch ist überzeugt, dass dies klappen wird: “Wir haben schon ganz andere Geschichten bewältigt. Ich erinnere dabei an den nicht ganz freiwilligen Abgang von Sebastian Kurz.” Am 29. September werde gewählt, im Juli finde noch ein Plenum im Nationalrat statt, wo eine ganze Reihe von Beschlüssen gefasst werde. Auch die Bundesregierung arbeite bis zum Wahltag durch. „Der Rest wird Teil der Wahlauseinandersetzung sein.“
Brunner sieht sein Verhältnis zu Leonore Gewessler noch immer professionell. Im Klimaschutzbereich hofft er auf eine baldige Einigung zur Carbon Management Strategie: „Da geht es um die internationale Klimafinanzierung. Ich würde es extrem schade finden, wenn wir das nicht mehr herbringen. Ich hoffe, die Grünen sehen das auch so.“