Diese Regierung war viel besser als ihr Ruf
Sommerpause für die Schülerinnen und Schüler im Osten des Landes. Für die Bundesregierung geht es auch dem Ende zu. Nach der Gewessler–Krise hat man sich vordergründig erfangen, Sportminister und Bundeskanzler machen bei der Fußball-EM gemeinsam gute Miene zum guten Spiel in der Mannschaftskabine. Der traditionelle Medienheurige des Kanzlers „musste“ gar abgesagt und „voraussichtlich auf Ende des Sommers verschoben werden“, weil der Chef am kommenden Dienstag „beim Spiel in Leipzig vor Ort sein wird“. Doch kaum ein ÖVP-Politiker, mit dem ich in den vergangenen Tagen sprach, weiß nach dem (als solcher empfundenen) Verrat rund um das EU-Renaturierungsgesetz noch Freundliches über die Grünen zu sagen.
Das ist schade. Denn diese Regierung war viel besser als ihr Ruf und sie war ungleich besser als von der FPÖ dargestellt. Wer das als Journalist so schreibt, zieht quasi automatisch Kritik auf sich. Man sei verhabert, jedenfalls nicht objektiv, man gehöre zumindest zum Orkus in die Unterwelt. Sei´s drum! Wir beweisen doch alle Tage, dass wir grundsätzlich kritisch berichten und bis zum Beweis des Gegenteils Unterschleif vermuten.
Die größte Errungenschaft dieser Regierung liegt in ihrer schieren Existenz und sie liegt darin, dass diese Existenz über eine gesamte Legislaturperiode andauerte. Ich bin prinzipiell überzeugt: Eine Verbindung von Volkspartei und Grünen ist eine gute Idee. Da hat die eine Partei die Hand auf der Wirtschaft und dem Geld. Die andere vertritt beim wichtigsten Thema unserer Zeit, der dräuenden Klimakatastrophe, die richtigen Ideen und Utopien. Ohne diese Ideen würde die Wirtschaft keine den Planeten erhaltenden Maßnahmen setzen und ohne den Zugriff auf die Wirtschaft wären diese Ideen Schall und Rauch. Deutschland führt gerade vor, wie ein Modell ohne Rückhalt in Finanz und Industrie scheitert.
Genau diese Zusammenarbeit von Ungleichen hatte denn auch niemand für möglich gehalten: gegensätzliche Interessen, unterschiedliche Herangehensweise. Doch die Realität soll die Zweifler eines Besseren belehren. Der Erfolg lag vor allem im Vertrauensverhältnis zwischen Kanzler und Vizekanzler sowie zwischen den Klubobleuten begründet. Ich habe im persönlichen Gespräch – freilich nach dem Wechsel von Sebastian Kurz zu Karl Nehammer (mit Interregnum durch Alexander Schallenberg) – von keiner dieser vier Personen ein abfälliges Wort über die jeweils anderen gehört. August Wöginger hatte bekanntlich vor längerem beklagt, dass „die Kinder nach Wien fahren und als Grüne zurückkommen“, statt weiterhin „Volkspartei zu wählen“. Der Satz ist entgegen der Intention des VP-Klubobmannes die Beschreibung einer natürlichen Verbindung zwischen zwei Generationen und einer entsprechend sinnvollen Verbindung in der Politik
Inhaltlich machte diese Regierung täglich Fehler im Kleinen und sie verzögerte manch Großes durch passiven Widerstand und Bürokratie. Doch die gewaltigen Krisen wurden ordentlich abgearbeitet, sicher nicht schlechter als in den meisten anderen europäischen Staaten: Bei Corona wurde zwar politisches Kleingeld geschlagen, aber die Bevölkerung kam gut durch die Epidemie. Angesichts des Ukrainekrieges offenbarte sich zwar die unhaltbare Positionierung als neutrales Land, aber die Energieversorgung hielt trotz der überbordenden Abhängigkeit von Russland.
Dem Land geht es gut: niedrige Arbeitslosigkeit, stabile Kaufkraft, sozialer Zusammenhalt, Kriminalität im überschaubaren Rahmen. Das Land und die Länder werden grosso modo verantwortungsbewusst regiert. Im Ergebnis der zurückliegenden EU-Wahl und in den Umfragen für die bevorstehende Nationalratswahl ist dieser Zustandsbericht leider nicht abgebildet.
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