Wie Flüchtlingen die österreichischen Werte beigebracht werden sollen

In Bregenz absolvieren alle Flüchtlinge den dreitägigen Werte- und Orientierungskurs des ÖIF. Die VN haben einen Kurs besucht und gesehen: Vor allem praktische Fragen stehen im Vordergrund.
Bregenz Eine Person wirft eine Zigarette in den Wald. Ist das erlaubt? Das Sozialsystem in Österreich funktioniert, weil die Menschen arbeiten und Steuern zahlen. Wenn man die Arbeit verliert, soll man … A) nichts machen. Andere zahlen Steuern. B) selbst aktiv eine neue Arbeit suchen. C) Vom Staat leben.
Fragen wie diese muss jeder Flüchtling in Österreich irgendwann einmal beantworten. Sie stammen aus dem Modelltest des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF). Deutschtest A2, Abschnitt “Fragen zu Werte- und Orientierungswissen”. Auch im ÖIF in Bregenz werden solche Kurse absolviert. Die VN waren dabei.

Jilan Al Muhamad ist seit sieben Monaten in Österreich. Die 29-Jährige wohnt mit ihrem Mann und ihrer fünfjährigen Tochter in einer Wohnung in Bludesch – heute ist sie in Bregenz. Die Kurdin aus Syrien ist eine von 18 Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Werte- und Orientierungskurses des ÖIF in Bregenz. Trainer Kris Lauwery erklärt der Runde, dass manche in Österreich meinen, Flüchtlinge würden faul sein und Sozialhilfe kassieren – und er fragt, was die 18 Anwesenden davon halten. Jilan Al Muhamad meldet sich. “Es gibt in jeder Gruppe solche und solche. Aber Menschen aus Syrien sind in der Regel fleißig und wollen sich selbst erhalten.” Sie spricht kurdisch, ein Übersetzer ist ebenfalls anwesend.


Seit dem Jahr 2015 haben laut ÖIF 104.000 Personen an insgesamt 7700 Wertekursen teilgenommen. Im Jahr 2017 wurde eine Teilnahmepflicht für alle Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten ab 15 Jahren eingeführt. Seit 2022 dauert der Kurs 24 Stunden, aufgeteilt auf drei Tage mit je acht Stunden. Am ersten Tag stehen Antworten und Informationen zur Sprache, zur Ausbildung und zum Arbeitsmarkt auf dem Programm. Tag zwei beinhaltet Themen zur Verfassung, Landeskunde und rechtlichen Integration. Der dritte Tag widmet sich dem Zusammenleben, Kultur, Traditionen und dem Ehrenamt.

Ausbildung und Arbeitsmarkt sind auch für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die wichtigsten Themen. Eine Frau sitzt mit ihrer 17-jährigen Tochter hier. Sie ärgert sich: “Meine beiden Kinder haben keinen Platz in der Schule bekommen. Sie wurden überall abgelehnt. Warum ist das so?” Lehrer Lauwery versucht zu erklären, dass zunächst die Sprache erlernt werden muss. Aber für Details könne man sich an den ÖIF direkt hier wenden. Der Trainer nimmt die Frage zum Anlass und fragt in die Runde: “Welche Berufe könnten Sie schon mit wenig Sprachkenntnissen und wenig Erfahrung ausüben?” Die Antworten: LKW-Fahrer, Postler, Friseur … Ein Mann erzählt, er habe bereits einige Monate in Altach bei einem Friseur gearbeitet, die Kunden sprachen meistens Arabisch oder Türkisch, er konnte sich also unterhalten. Der Trainer erklärt, dass Friseur eigentlich ein Lehrberuf ist. Ein anderer Mann erklärt: “Ich habe bereits hier als Bodenleger gearbeitet. Das war ohne Deutschkenntnisse möglich. Aber der Kontakt zu den Arbeitskollegen war sehr schwierig.”

Seit Kurzem müssen schon Asylwerber einen Kurs besuchen – den sogenannten Grundregelkurs. Dort lernen sie zwar auch etwas über die Kultur und die Demokratie in Österreich, den Orientierungs- und Wertekurs müssen sie nach dem Verfahren trotzdem absolvieren. An diesem Tag sieht man aber, dass es vor allem die Flüchtlinge selbst sind, die Fragen stellen. “Ich bin Jurist, wie kann ich meine Ausbildung anrechnen lassen?” oder “Ich habe die Matura gemacht, wo kann ich das Zeugnis anrechnen lassen?” oder “Ich habe acht Jahre die Pflichtschule besucht, mir fehlt das neunte Jahr, darum wird der Abschluss nicht anerkannt. Wo kann ich ihn nachholen?” oder “Ich kann schon vier Sprachen, Deutsch wird meine fünfte Sprache. Kann ich als Dolmetscher arbeiten?”

Der 23-jährige Ayaz Ozel hat auch schon gearbeitet. Acht Monate lang war er in einem Fast-Food-Restaurant. “Ich bin Bauingenieur und möchte das auch wieder machen”, erzählt der kurdische Syrer. Sein Wunsch: “Ich möchte in Frieden leben.” Und beruflich? “Ich wünsche mir, dass ich mich weiterentwickeln kann, damit ich nicht auf Hilfe angewiesen bin.” Er versucht, sich in Deutsch zu unterhalten, manchmal muss der Dolmetscher helfen. Er besucht bereits Deutschkurse und möchte so schnell wie möglich einen besseren Job finden.
Ayaz Ozel hat ein Ziel: “Ich bin als Flüchtling nach Österreich gekommen. In zehn Jahren möchte ich selbst Österreicher sein und dieses Land mitgestalten.”
