“Das war die ärgste Nacht meines Lebens”

Politik / 03.07.2024 • 18:19 Uhr
ÖVP-Klubchef Frühstück sieht die Sache ähnlich wie Wöginger.  VN
Roland Frühstück verlässt den Landtag. VN/Paulitsch

ÖVP-Klubobmann Roland Frühstück verlässt im Herbst den Landtag. Im VN-Interview blickt er auf 15 Jahre Landtagsarbeit zurück.

Bregenz Wie war das damals, als Roland Frühstück gefragt wurde, ob er Klubobmann werden möchte? Was würde er heute anders machen? Und wäre er Landesrat, wenn er nicht alkoholisiert am Steuer gesessen wäre? Roland Frühstück blickt auf 15 Jahre Landtag zurück. Heute hat er seine letzte Landtagssitzung.

Wie blicken Sie auf Ihre 15 Jahre Landtag und fast 13 Jahre ÖVP-Klubobmann zurück?

Frühstück Ich ziehe ein großartiges Fazit. Ich wusste zunächst nicht, ob ich mich in der Rolle wohlfühle. Ich kann mich noch daran erinnern, es war eine der ärgsten Nächte meines Lebens. Wir waren mit den Handballern gerade in Osteuropa unterwegs. Plötzlich klingelt das Telefon, Markus Wallner ist dran. Er sagte: “Du hast bis Morgen Zeit, ich brauche einen neuen Klubobmann.”

Sollten Fotos und Features von der Landtagssitzung in Bregenz haben. Aktuelle Stunde, roland frŸhstŸck
Roland Frühstück nach dem Attentat auf Charlie Hebdo in Paris, zeigt in der Landtagssitzung Flagge. VN/Steurer

Das war so kurzfristig?

Frühstück Ja. In der Nacht lag ich wach. Ich telefonierte mit meiner Frau, sprach mit dem Verein und um halb neun Uhr in der Früh habe ich Markus zugesagt. Ich habe mich dann aus den anderen Funktionen zurückgezogen, weil ich glaube, ein Klubobmann sollte das mittlerweile hauptberuflich machen. Gerade in einer großen Fraktion wie der ÖVP. Da muss ich mich mit Regierungsmitgliedern, Bundesräten, Nationalräten und den Landtagsabgeordneten abstimmen. Das sind 25 bis 30 Leute. Wir brauchen für einen Antrag schon einmal drei Stunden. Manchmal trägt der Antrag die eigene Handschrift. Manchmal muss man in so einer großen Partei auch zähneknirschend mit.

Wie oft mussten Sie zähneknirschend zustimmen?

Frühstück Politik ist ein Kompromiss. Sie muss man schließen, ob du willst oder nicht. Ein wirtschaftsorientierter Mensch hat bei manchen Beschlüssen einen Schmerz, ein anderer bei anderen Beschlüssen. Damit muss man innerhalb der ÖVP-Familie umgehen können. Wir haben fünf Bünde, die gehören alle zur Familie wie Geschwister. Zugestehen und Zuhören und daran denken, dass der andere vielleicht auch recht hat, dann das Gespräch zu führen, anstatt zu bocken, das macht in der Politik den Spaß aus. Am Ende darf man nur nicht die Werte als Ganzes verlieren. Darum bin ich froh, Teil der ÖVP-Familie zu sein.

Hat sich die Diskussionskultur insgesamt verändert?

Frühstück Es hat sich verändert und ist durch diese Heckenschützenthematik noch stärker geworden. Da geht es dann nicht mehr um ein Thema, sondern darum, andere zu diskreditieren, anzuklagen, zu verletzen. Wenn sie dann mit Moral gekommen sind …

Welches Beispiel haben Sie da im Kopf?

Frühstück Zum Beispiel das mit Markus Wallner (im Zuge der Wirtschaftsbundaffäre, Anm.). Wenn ich daran denke, wie die Opposition damit umgegangen ist. Dann wird alles eingestellt und niemand sagt ein Wort dazu. Nicht, dass etwas falsch gemacht worden sei oder gar eine Entschuldigung. Das würde nichts kosten, hätte das Klima aber nachhaltig verbessert.

politk vorarlberger landtag; landtagssitzung; Roland Fruehstueck; OEVP;
Roland Frühstück auf seiner ersten Landtagssitzung 2009. VN

Wenn Sie zurückblicken, was würden Sie anders machen?

Frühstück (überlegt lange) Vielleicht hätte ich ein paar mal lauter und klarer sagen müssen, dass ich bei etwas nicht mitgehe, dass es mir zu weit geht.

Woran denken Sie dabei?

Frühstück Bei dieser Kodexgeschichte ärgert es mich massiv, dass wir – auch ich als Klubobmann – nicht ganz laut gesagt haben: Die Nachbarschaftshilfe muss wieder möglich werden. Wir können nicht in ganz Österreich mit dem Thema aufschlagen und sagen, dass wir diesen Kodex mit der Verpflichtung zur gemeinnützigen Tätigkeit wollen, dann aber keine Möglichkeit dazu bieten. Als man uns das Instrument genommen hat, das war schon so ein Punkt, da hätte ich lauter sein müssen.

Sie sind im Jahr 2012 mit Alkohol am Steuer erwischt worden. Es heißt oft: Wäre das nicht passiert, wären Sie Landesrat geworden. Sehen Sie das auch so?

Frühstück Ja. Ich glaube, ich wäre für Sport und Bildung ein Angebot gewesen als Landesrat. Und ich bin jetzt sehr froh, dass ich es nicht geworden bin. Natürlich war es nicht gut, dass ich ein bisschen zu viel getrunken habe und dann Auto gefahren bin. Damit war ich aus dem Rennen. Aber als Klubobmann habe ich viel mehr Spielräume, arbeite sehr nah mit Markus als Landeshauptmann und Dietmar Wetz in der Partei zusammen. Dieses Dreieck in Verbindung mit den Abgeordneten hat extrem viel Spaß gemacht.

Was ist Ihnen aus Ihrer Zeit noch besonders in Erinnerung?

Frühstück Etwa das Vorturnen von der FPÖ-Abgeordneten Andrea Kerbleder im Landtag. Das war lustig. Und an eine Situation erinnere ich mich sehr gut. Wir waren mit den Klubobleuten irgendwann im August oder September 2015 auf einer Reise am Flughafen in Amsterdam. Im Zuge der ganzen Flüchtlingsthematik brauchte Landesrat Erich Schwärzler sehr rasch ein Gesetz, damit es einfacher wird, Flüchtlingsquartiere zu eröffnen. Wir saßen also auf den Wartebänken am Flughafen, haben dort lange miteinander gesprochen und das ausverhandelt. Innerhalb eines Tages haben wir diese Gesetzesänderung gemacht.

wahl, wahlen, landtagswahl, landtagswahlen 2014 in vorarlberg, wahlparty švp, markus wallner, roland frŸhstŸck
Frühstück auf der Wahlparty der ÖVP 2014. VN/Steurer