Rechenschaftsbericht wird zur Aufrechnung der und Abrechnung mit den Schwarz-Grünen Regierungsvorhaben

Politik / 03.07.2024 • 16:45 Uhr
Landtag Aktuelle Stunde Thema: Klimaschutz
Im Landtag stand der Rechenschaftsbericht zur Debatte. VN/Rhomberg

Was hat die Landesregierung umgesetzt? Und falls nicht, warum nicht? Ein Themenmix von A bis Z bei der letzten Rechenschaftsdebatte der aktuellen Landesregierung.

Bregenz Man nehme einen Topf mit 36 Landtagsabgeordneten, mixe zehn zufällig ausgewählte mehr oder weniger aktuelle Themen dazu, rühre einmal kräftig um, würze es mit Lob und Kritik, und voilà: schon hat man die klassische Rechenschaftsdebatte im Topf. Inklusive der aktuellen Geheimzutat namens “Fußball”.

Kaum ein Redner und kaum eine Rednerin kommt an diesem Mittwoch im Landtag ohne Fußballanalogie aus. Bereits die ersten Sätze um 9 Uhr widmen sich dem österreichischen Ausscheiden bei der Europameisterschaft. ÖVP-Klubobmann Roland Frühstück eröffnet die Rechenschaftsdebatte mit einem Lob an das Nationalteam. “Wenn die Spieler nach ein paar Tagen des Schmerzes zurückblicken und bilanzieren, werden sie mit erhobenem Kopf die nächsten Aufgaben angehen.” Und weiter: “Auch hier herinnen ist jetzt Zeit, zu bilanzieren.” Diese Bilanz des Klubobmanns der Landeshauptmannpartei fällt wenig überraschend gut aus. Dann schwingt er den Rechenschaftsdebattenkochlöffel: Er versucht in fast einer halben Stunde, aufzuzählen, was die schwarz-grüne Landesregierung eingeführt hat, blick aber auch in die Zukunft und spricht vom Glasfaserausbau bis zum Vorarlberg Kodex über Dinge, die gerade angegangen werden. Den Regierungspartner spricht er vor allem dann an, wenn es um Straßenbau geht. “Es kann ja nicht sein, dass ein Tunnel für die Eisenbahn nur gut ist und ein Tunnel für Autos und Lastwagen nur schlecht ist.” Er fordert: Die Opposition dürfe ruhig Kritik äußern, soll aber Lösungsansätze mitbringen. Ein Satz, der den Oppositionsparteien später sauer aufstößt.

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Am 13. Oktober wird der Landtag gewählt. Für Frühstück endet damit eine Ära. 15 Jahre saß er im Vorarlberger Landtag. Deshalb nützt er die Landtagssitzung auch für persönliche Worte: “Das Wesen der Demokratie ist der Kompromiss und ich bin stolz darauf, dass hier immer wieder kluge Kompromisse erzielt wurden.” Sein Plädoyer für Kompromisse und Verhandlungen schließt Frühstück mit: “Ein knackiger Social-Media-Post hat noch selten ein Problem gelöst.”

Seine Kollegin auf der Grünen Abgeordnetenbank, Klubobfrau Eva Hammerer, bringt weitere Zutaten für den Landtagskochtopf mit. PV-Ausbau: super. Öffentliche Verkehrsmittel in Vorarlberg: sehr gut. Und so weiter. Auch sie blickt in die Zukunft: Man müsse raus aus Öl und Gas, es brauche eine Kindergrundsicherung, Menschen sollten nicht auf teure Autos angewiesen sein. Und sie wiederholt die Zahlen zur Kinderbetreuung, die von der Landesregierung erst am Dienstag wieder präsentiert wurden: 104 neue Kindergartengruppen, 105 Millionen Investition. “Natürlich hatten wir einen Investitionsstau, man hat viel zu lange gewartet”, kritisiert sie die Vorgängerregierungen und ergänzt: “Wir wollen 104 neue Gruppen öffnen, jetzt stehen wir vor großem Personalmangel. Da sage ich: Es fehlt ein zweiter Standort im Unterland!” Sie spricht von einer zweiten Ausbildungsstätte für Kindergartenpädagoginnen.

Jetzt darf die Opposition. Den Beginn macht FPÖ-Klubobmann Christof Bitschi. Er wendet sich an Frühstück: “Wenn die Opposition den Rechnungsabschluss so schlechtreden würde, wie Sie ihn schönreden, würde es den ein oder anderen Ordnungsruf geben.” Mit diesen Worten betritt er den Platz vor dem Debattenherd und würzt die Diskussion mit Kritik. Umgang mit Gewalttäter: schlecht. Ausbau der gemeinnützigen Wohnungen in den letzten zwei Jahren: verschlafen. Vorarlberg wirtschaftlich: Schlusslicht. “Vor zehn Jahren waren wir an der Spitze. In der wirtschaftlichen Entwicklung ist Vorarlberg unter den Bundesländern am stärksten geschrumpft.” Für Aufregung auf den Bänken sorgt seine direkte Attacke auf Eva Hammerer, als er über Wirtschaft spricht – inklusive Buh-Rufe anderer Abgeordneten und Rüge von Landtagspräsident Harald Sonderegger (ÖVP).

Manuela Auer versucht es wieder mit Fußball: “Ich hoffe, dass es nicht das Credo der ÖVP bei der Landtagswahl ist, dass man begeistert ist, wenn man verliert.” Aber auch sie sei stolz auf das Nationalteam. Dann weiter im Kochkurs, mit Schokolade und Schärfe. Schokolade: “Es war keine leichte Regierungsperiode. Oft habe ich mir gedacht, ich möchte nicht in Ihrer Haut stecken, gerade in der Pandemie. Dafür möchte ich ganz offen Danke sagen für das, was in dieser Zeit geleistet wurde”, richtet sie sich direkt an die Regierung. Ebenso die Schärfe: “Ich habe das Gefühl, dass sie sich ein bisschen um die Regierungsbilanz drum herum geschwindelt haben. Sie blickten lieber in die Zukunft, lobten Vorhaben, das Kritische ließen Sie aber weg.” Die SPÖ habe zahlreiche Anträge eingebracht, den meisten sei die Zustimmung aber versagt worden.Wieder die Zutaten: Nachbarschaftshilfe, Mietpreisbremse, Modellregion gemeinsame Schule … Der Themeneintopf nimmt nun auch rote Farbe an.

Auch die Pinken nehmen sich Anleihen aus der Fußballwelt. “Mir wäre lieber gewesen, wir wären gestern beim Fußball ins europäische Spitzenfeld aufgestiegen. Geschafft haben wir es aber bei der Steuer- und Abgabenquote”, beginnt Neos-Klubobmann Johannes Gasser. Seine Zutaten für das Debattengericht: Steuersystem, Förderungen, Jugendstudie, leistbares Wohnen und Bürokratieabbau. “Im Rechenschaftsbericht für 2023 gibt es ein Kapitel mit dem Namen ‘Verwaltungsvereinfachung und Deregulierung’. Das Kapitel enthält eine Maßnahme: Dass man Wölfe einfacher abschießen kann”, ärgert sich Gasser. Er fordert ebenfalls mehr Personal für die Kinderbetreuung und kritisiert den Schuldenrucksack des Landes.

Auftritt Chefkoch. Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) hat sich den Kochvorgang angesehen, jetzt ist es an ihm, das Gericht nach seinen Vorstellungen abzuschmecken. Er verwendet dazu das beliebte Kernbotschaftenkraut. Die da lautet: Es wäre unfair, die Regierungsarbeit nur daran zu messen, welche Vorhaben aus dem Programm umgesetzt worden sind. Corona, Inflation, Energiekrise – all diese Krisen galt es zusätzlich zu meistern. Einer Vorschau auf die kommenden Regierungsverhandlungen folgt ein Plädoyer für mehr Eigenständigkeit des Landes.

Langsam beginnt der Landtag zu kochen. FPÖ-Abgeordneter Allgäuer kritisiert Hammerer, diese attackiert Bitschi, der sich wehrt. Neos-Mandatar Gerfried Thür widmet sich noch einmal der Inflation, bevor Umweltlandesrat Daniel Zadra ans Mikrofon tritt. “Ich finde es überraschend, dass man im Sicherheitsbereich in keiner Weise über Naturgefahren debattiert hat.” In der Schweiz sehe man gerade, welche Naturgefahren herrschen. “Vorarlberg ist wieder einmal mit einem blauen Auge davongekommen. Wir hatten unglaublich viel Glück.” Auch er hält ein Plädoyer für die Nachbarschaftshilfe.