Tut es nicht!
Wenn man sich schon eine Strategie überlegt, dann sollte es nicht gleich jeder merken, oder? Wer einen Coup plant, der lässt sich doch nicht auf offener Bühne in die Karten schauen. Oder sie sind sich ihrer Sache so sicher, dass sie jeden Skrupel verloren haben.
„Man setzt darauf, dass das alles niemand ernst nimmt. Und so ganz ernst ist es ihnen auch nicht damit.“
Im Moment bietet die ÖVP ein interessantes Schauspiel. Jeden Tag wird das immer gleiche Stück aufgeführt. Immer der gleiche Plot. Es wäre langweilig, wenn es nicht so ärgerlich wäre. Offenbar hat man sich entschieden, es mal wieder auf Teufel komm raus mit der FPÖ zu versuchen. Natürlich weiß man genau, dass man das eigentlich nicht darf. Nicht politisch, nicht moralisch. Nicht, wenn einem an der Zukunft des Landes irgendwas liegt. Nicht wenn man noch mal in den Spiegel schauen möchte. Aber wenn man etwas nicht darf, dann muss man eben so tun, als ob man „keine andere Wahl“ hätte. Wer alle anderen Brücken hinter sich abgebrochen hat, dem bleibt nur der Weg nach vorne, und sei er noch so vergiftet.
So arbeitet die ÖVP konsequent an einer Erzählung, die sie uns nach den Wahlen im Herbst auftischen wird: Die „anderen“ bereiten sich auf die Opposition vor, mit den „anderen“ kann man ja nicht, es bleibt einem ja nichts anderes übrig als in staatsmännischer Verantwortung die „einzige“ Koalition einzugehen, die es dann noch gibt … Man lässt keine Gelegenheit aus, an dieser Geschichte zu arbeiten.
Seit den seligen Tagen eines Jörg Haider hat sich die Partei der „Ehemaligen“ an den rechts-rechten Rand bewegt. Und prahlt unverfroren mit ihren faschistischen Freunden und ihren identitären Kumpels. Sie brüstet sich mit der eigenen Menschenverachtung und ihrem Traum von einem Volkskanzler, der sich an keine demokratischen oder rechtsstaatlichen Spielregeln mehr halten muss. Und sie macht sich einen Spaß daraus, auf jene alte gute Zeit anzuspielen, als man mit Glanz und Gloria in Untergang und Massenmord marschierte.
Man setzt darauf, dass das alles niemand ernst nimmt. Und so ganz ernst ist es ihnen auch nicht damit. Sie wollen einfach ein Stück vom Kuchen. Am Ende wird die ÖVP die „Ehemaligen“ einkaufen, so wie in den nicht ganz so alten „guten Zeiten“, von rassistischen Ali-Videos, und zynischen „Ausreisezentren“ für gerade angekommene Asylwerber, Razzien im Verfassungsschutz und kurzlebigen Reiterstaffeln, von Sponsorenabenden auf Ibiza und Tempo 160 auf der Autobahn. So hoffen ÖVP und FPÖ im Grunde nur auf eins: Auf unsere Vergesslichkeit. Unsere Bequemlichkeit. Unsere Feigheit. Unsere Bereitschaft uns betrügen zu lassen. Unsere Müdigkeit. Und wenn wir dann endlich schlafen, dann machen sie ernst.
Hanno Loewy ist Direktor des Jüdischen Museums in Hohenems.
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