Birgit Entner-Gerhold

Kommentar

Birgit Entner-Gerhold

Sie treten Frauenrechte mit Füßen

Politik / 02.08.2024 • 10:00 Uhr

Stellen Sie sich vor, Sie befinden sich in einer emotionalen Ausnahmesituation. Stellen Sie sich vor, Sie werden gerade deswegen beschimpft und gescholten. In Vorarlberg steht das an der Tagesordnung. Also reden wir offen darüber.

Sogenannte Mahnwachen vor dem Landeskrankenhaus sind eine Belästigung für Frauen, die sich für einen Schwangerschaftsabbruch entschieden haben. Die Betroffenen seien häufig verzweifelt, teilweise verängstigt, manche schämen sich, berichten Beraterinnen den VN. Niemand entscheide sich leichtfertig.

Abtreibungsgegnerinnen und – gegnern ist das offenbar egal. Sie stehen da mit ihren Transparenten. Bauen Kindersärge vor dem LKH Bregenz auf. Predigen Nächstenliebe, während sie nicht ansatzweise in der Lage sind, Gefühle von Frauen nachzuvollziehen, die sich in einem Schwangerschaftskonflikt befinden. Empathie? Fehlanzeige.

Reden wir offen darüber. Frauen treiben ab. In Vorarlberg werden es in diesem Jahr am Landeskrankenhaus wohl 300 Schwangerschaftsabbrüche werden. Reden wir auch darüber, dass die aktuelle Fristenlösung ein Grundrecht für Frauen ist, das nicht in Frage gestellt werden darf. Reden wir über Selbstbestimmung.

Reden wir darüber, warum es noch immer möglich ist, dass sich Abtreibungsgegnerinnen und -gegner mit fragwürdigen Transparenten ins Blickfeld jener Frauen stellen können, die vor einem Schwangerschaftsabbruch stehen. Reden wir darüber, wie sie andere Patientinnen mit ihren Bannern belästigen, die wegen einer Totgeburt in die gynäkologische Abteilung müssen. Das ist laut LKH Bregenz wirklich passiert. Reden wir darüber, warum das möglich ist.

Diese Belästigungen sind nicht zeitgemäß und schlicht respektlos allen Frauen gegenüber. Wer anderer Meinung ist, soll es sein, aber auch zugeben, wenig vom Selbstbestimmungsrecht der Frauen zu halten. Er oder sie soll für seine Meinung eintreten und demonstrieren dürfen. Nur nicht vor einer Klinik, nicht vor dem Krankenhauspersonal und nicht vor jenen Frauen, die sich schon in einem inneren Konflikt befinden – vielleicht Scham, Angst oder Verzweiflung empfinden. Wer kann es gutheißen, dass auf sie in dieser Ausnahmesituation nochmals seelisch eingetreten wird? Wer kann es gutheißen, dass sie nach Ansicht der Abtreibungsgegner offenbar der Empathie nicht würdig sind? Reden wir darüber. Die Antwort sollte eigentlich klar sein.