“Billigfleisch konterkariert regionale Produktion”

Politik / 04.08.2024 • 14:03 Uhr
Josef Moosbrugger
Landwirtschaftskammerpräsident Josef Moosbrugger fordert bei der Umsetzung der Renaturierungs-Verordnung alle Betroffenen an einen Tisch zu holen.Beate Rhomberg

Hohe Standards werden durch einen billigen Preis ausgespielt, sagt Landwirtschaftskammerpräsident Josef Moosbrugger. Er kritisiert die vielen Rabattaktionen, will einen Tourismuseuro für Bergbauern und warnt vor den Folgen des EU-Gesetzes zur Renaturierung.

Wien “Die Zustimmung zu diesem Zeitpunkt war komplett daneben”, sagt Landwirtschaftskammerpräsident Josef Moosbrugger im Gespräch mit den Vorarlberger Nachrichten zum EU-Renaturierungsgesetz. Er betont, dass Vorleistungen zum Naturschutz in Österreich berücksichtigt und die Landwirtschaft eingebunden werden müssen.

Klimakrise, Inflation, Preisdruck: Wie geht es den Bauern in Vorarlberg?

In den westlichen Bundesländern gab es lange eine sehr feuchte Witterung. Das erschwert die Futterernte und Heuproduktion. Auch die Inflation spüren wir: Betriebsmittelpreise und Produktionskosten steigen schneller als der Erzeugerpreis. Dazu kommt, dass im Handel Rabatte und Aktionen deutlich im Fokus stehen.

Kälbertransporte sorgten für negative Schlagzeilen. Ist das dann eine Folge des finanziellen Drucks?

Das ist ein Thema, das Landwirtinnen und Landwirte belastet. 95 Prozent der Kälber werden im Inland aufgezogen. Es sind dennoch die fünf Prozent, die sich negativ in Schlagzeilen niederschlagen. Die Realität am Markt: Das Billigfleisch von Kälbern wird importiert, die zu geringeren Standards gehalten werden, als es in Vorarlberg gefordert wird. Das ist ein massives Ärgernis. Unsere hohen Standards werden durch einen billigen Preis ausgespielt.

Wie kann man dem entgegenwirken?

Es gibt Erfolge durch regionale Vermarktungsprogrammen für Kälber, in Vorarlberg durch Partnerprogramme mit Sutterlüty, österreichweit mit “Kalb rosé”. Ziel ist es Anreize zu schaffen, damit Kälber im Inland großgezogen werden und letztlich auch nicht in den Export gehen müssen. Billigprodukte mit geringen Standards in der Produktion konterkarieren jedoch die regionale Produktion.

Gerade zur Grillzeit ein Appell, nicht zum Aktionsfleisch zu greifen?

Man weiß, dass ein hochwertiger Griller zu besseren Ergebnissen führt. Das Gleiche gilt aber auch für das Stück Fleisch, das auf den Grill kommt.

Sie fordern den “Tourismuseuro” für Bergbauern. Wieso?

Das Paznauntal hat zum Beispiel eine durchschnittliche Betriebsgröße von rund sechs Hektar, extreme Berghänge und wenige Stück Vieh. Dort wird so eindrücklich bewusst, dass es diese großartige Tourismusregion ohne funktionierende Berglandschaft nicht gebe. Für den Wintertourismus geht es um die Sicherheit. Für den Sommertourismus geht es um den Erhalt der Attraktivität. In Kleinstbetrieben werden mit unglaublichem Engagement und Zusammenhalt in der Familie diese Hänge “heruntergekratzt”, also bewirtschaftet. Das Signal ist wichtig, dass es dieses Kulturland ohne diese Arbeit nicht geben würde. Wenn wir Junge motivieren wollen, braucht es diese Wertschätzung.

Sie kritisieren das Renaturierungsgesetz scharf. Wieso?

Die Zustimmung zu diesem Zeitpunkt war komplett daneben. Der Inhalt war nicht wirklich klar und alles, was nun klarer wird, ist desaströs. Unklar ist auch, was das für unsere Vorleistungen bedeutet. Mit seiner hervorragenden Waldwirtschaft startet Österreich von einem vollkommen anderen Niveau. Man hat manchmal sogar das Gefühl, der Natur- und Tierschutz stehen einander selbst im Weg. Ich bringe es an der Bewertung eines Gewässerzustands anhand der Fischbiomasse zum Ausdruck. Im Bodensee gibt es mittlerweile ein Verbot zum Fischen, weil der Fischbestand so zurückgegangen ist. Aber wir haben den höchsten Schutz für den Kormoran, der den See leer frisst.

Argumentiert wird, dass Naturschutz die Lebensgrundlage der Bauern sichert.

Ja, man soll dort ansetzen, wo es Missstände gibt. Aber wir stehen längst für Renaturierung, wenn wir mittlerweile zehn Prozent Biodiversitätsanteil in der Landwirtschaft erreicht haben. Kein Land in Europa hat diesen Anteil. 230.000 Hektar mittlerweile. Zwei Drittel des Vorarlberger Gründlandes, das die Landwirtschaft bewirtschaftet, sind extensiv. Wir fordern jedenfalls ganz klar, in die Umsetzung der Renaturierungs-Verordnung eingebunden zu werden, dass Vorleistungen anerkannt und Bewertungsmethodik verbessert werden.

Wie funktionieren die Einzelverträge mit den Tierärzten?

Man kann sagen, dass es überwiegend funktioniert. Der Rahmenvertrag wäre aber für beide Seiten einfacher. Sorge bereitet mir die tierärztliche Versorgung am Wochenende. Es sind Fälle ans Tageslicht gekommen, dass nicht immer zeitgerecht Tierärzte verfügbar sind. Es muss eine gemeinsame Anstrengung der Tierärztekammer und Landwirtschaftskammer sein, sich mit diesem Thema zu beschäftigen. Das Land hat hier durch finanzielle Abgeltungen am Wochenende Aktivitäten gesetzt.

Was halten Sie eigentlich von der veganen Kochlehre?

Als praktizierender Landwirt habe ich da eher eine kritische Sichtweise. Jeder wird wissen, was für ihn gut und richtig ist. Aber, dass man mittlerweile schon eine Kochlehre dazu initiiert, überrascht mich. Viele reden über das Klima und Regionalität. Aber das beginnt damit, darauf zu achten, was man zu sich nimmt. Regional einkaufen, regionale Unternehmen stärken. Das wäre ein erster einfacher und leistbarer Betrage zum Klimaschutz. Ich habe manchmal das Gefühl, bei Lebensmittel gilt – je weiter weg sie produziert und transportiert wurden, umso interessanter sind sie. Auch mit den Jahreszeiten zu gehen, zu akzeptieren, dass Obst und Gemüse nicht ganzjährig verfügbar sind. Dass man, anstatt sich dem Veganen mit Avocados und Co. zu widmen, wieder mit Einmachen und Haltbarmachen beschäftigt. Das wäre vielleicht auch ein guter Ansatz zum Klimaschutz.