Peter Bußjäger

Kommentar

Peter Bußjäger

Problem verschlafen?

Politik / 09.08.2024 • 08:56 Uhr

In den vergangenen Wochen ist es in Wien zu mehreren gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen syrischen und tschetschenischen Jugendgruppen gekommen. Mittlerweile gibt es eine „offizielle“ Erklärung von Vertretern der beiden Gemeinschaften (in der Sprache der Sozialarbeit Communities genannt), die auch in den Medien veröffentlicht wurde. Demnach hat man sich untereinander ausgesprochen, Missverständnisse bereinigt und eine Art Frieden geschlossen.

„Respekt vor dem Alter ist zwar in jeder Gesellschaft wichtig, nicht aber, wenn es sich um mafiose Clanstrukturen handelt. “

Das klingt – wenn überhaupt – nur beim ersten Lesen gut. Dasselbe gilt, wenn davon die Rede ist, dass diese Erklärung, verabschiedet von einer „Ältestenrat“ bei den jungen Leuten der jeweiligen Community auf eine gewisse Akzeptanz stoßen dürfte, weil den Ältestenräten große Autorität zugebilligt würde. Respekt vor dem Alter ist zwar in jeder Gesellschaft wichtig, nicht aber, wenn es sich um mafiose Clanstrukturen handelt. Unerfreulich ist zudem, dass diesen migrantischen Jugendlichen Gesetz, öffentliche Ordnung, Achtung der Menschenwürde, insbesondere jener von Frauen, sowie ihre eigene Zukunft völlig gleichgültig zu sein scheinen. Sie mögen vielleicht Respekt vor ihren Ältesten haben, aber jedenfalls nicht vor der Polizei und allen anderen Organen der Staatsgewalt. Die Schulen sind offenbar ohnehin machtlos.

Die Polizei müsste klarstellen, dass sie es ist, die für Ruhe und Ordnung sorgt und zwar unabhängig davon, wie gerade die Stimmungslage unter den Ältestenräten der jeweiligen Community ist. Ein tschetschenischer Influencer, der bei der Ausarbeitung des „Friedensabkommens“ anwesend gewesen sein will, bescheinigt der Polizei, das Problem verschlafen zu haben. Ob dieser Vorwurf gerechtfertigt ist oder nicht, sei dahingestellt. Die Aushöhlung des Gewaltmonopols des Staates ist in manchen Großstädten Europas bereits ziemlich weit fortgeschritten. Wien sollte diesen nicht unbedingt folgen.

Peter Bußjäger ist Direktor des ­Instituts für Föderalismus und ­Universitätsprofessor in Innsbruck.