Johannes Huber

Kommentar

Johannes Huber

Zeit der Extreme

Politik / 10.08.2024 • 13:50 Uhr

Politisch hat das Ganze eine Wucht, die an die Flüchtlingskrise im Jahr 2015 erinnert: Zunächst hatte es bis vor wenigen Wochen einen „Bandenkrieg“ unter Jugendlichen syrischer und tschetschenischer Abstammung in Wien gegeben. Dann kamen Berichte auf, dass eine syrische Großfamilie mit sieben Kindern ebendort 4600 Euro „fürs Nichtstun“ erhalte. Und jetzt das: Die Absage der Taylor-Swift-Konzerte wegen islamistischer Anschlagspläne beim Veranstaltungsort, dem Ernst-Happel-Stadion.

Unterstützungen wie die Sozialhilfe erfüllen ihren Zweck offenbar nur unzureichend.“

2015 ist die FPÖ infolge der Flüchtlingskrise auf dem Weg zu Platz eins gewesen. Ihr damaliger Obmann Heinz-Christian Strache durfte bereits vom Kanzleramt träumen – bis Sebastian Kurz die ÖVP übernahm und mit dem Versprechen zu einem größeren Wahlerfolg führte, Fluchtrouten zu schließen und „Zuwanderung ins Sozialsystem“ zu stoppen.

Für eine Masse waren das alternativlose Antworten auf die Krise. Diese stand in den Augen vieler ausschließlich für eine Bedrohung, staatlichen Kontrollverlust und finanzielle Belastungen auf ihre Kosten.

Vergleichbares ist jetzt wieder der Fall. FPÖ-Chef Herbert Kickl weiß das, er sieht auch das Potenzial, das damit für ihn und seine Partei einhergeht bei der Nationalratswahl in 50 Tagen. Also spricht er von Folgen einer „vollkommen falschen Einwanderungspolitik“, die er angeblich ja längst eingestellt hätte, indem er Österreich in eine Festung verwandelt und Grenzen geschlossen hätte.

Diesmal müssen Freiheitliche keinen Sebastian Kurz befürchten, der ihnen mit ähnlichen Botschaften wie sie einen Triumph wegschnappt. Umgekehrt aber gibt es auch kein großes Lager, das für Besonnenheit steht und Aussicht auf Erfolg hat: Die ÖVP macht sich eine solche Rolle dadurch schwer, dass sie weiterhin bemüht ist, im Wählerteich der FPÖ zu fischen. Und bei der SPÖ ist es Unvermögen, eine relative Mehrheit davon zu überzeugen, dass sie vielleicht über vernünftigere Alternativen verfügen würde.

Das ist schlimm, es ist eine Zeit der Extreme. Dabei wäre mehr denn je Nüchternheit gefragt: Zuwanderung durch Flüchtlinge lässt sich national begrenzt beeinflussen, nicht beseitigen. Sie trotzdem abzulehnen und zum Beispiel Asylberechtigten als demonstrativen Ausdruck dessen keine Hilfe gewähren zu wollen, macht daher vieles nur noch schlimmer.

Überfällig ist ein Zugang, der darauf ausgerichtet ist, Leute, die schon einmal da sind und bleiben dürfen, schnellst- und bestmöglich zu Mitgliedern der Gesellschaft zu machen. Da hat Österreich besonders großen Handlungsbedarf. Die soziale Kluft zwischen eigenen Bürgern und Drittstaatsangehörigen ist überdurchschnittlich im europäischen Vergleich. Das kann nicht nur an den Fremden liegen: Unterstützungen wie die Sozialhilfe erfüllen bei ihnen ihren Zweck offenbar nur unzureichend; Asylberechtigten sollte sie eine Übergangsphase ermöglichen, in der sie sich ganz darauf konzentrieren, Deutsch zu lernen und Qualifikationen für einen letzten Endes ordentlich bezahlten Job zu erwerben. Darauf würde es ankommen.

Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.