Darum könnte die Causa Tschann bald verhandelt werden

Anklage gegen den Bludenzer Bürgermeister: Tschann hofft auf ein rasches Verfahren.
Bludenz Was mit Beton beginnt, kann mit schwedischen Gardinen enden. Ein Bauprojekt der Firma Jäger Bau in Bludenz hat für den Bludenzer Bürgermeister Simon Tschann (ÖVP) ernsthafte Konsequenzen. Der Politiker muss sich vor Gericht verantworten, die Staatsanwaltschaft wirft ihm Amtsmissbrauch und falsche Beurkundung in zwei Fällen vor. Die Anklage ist noch nicht rechtskräftig, allerdings wird Bürgermeister Tschann auf einen Einspruch verzichten. Es kommt zum Gerichtsverfahren.

Bludenz, Fohrenburgstraße. Drei viergeschossige Wohnhäuser dominieren das Blickfeld der sonst eher idyllischen Villensiedlung. Seit Anfang Dezember sind die Häuser bewohnt – zumindest zeitweise. Allein im mittleren Haus befinden sich zumindest zwei Ferienwohnungen, die nur sporadisch benutzt werden. Die Wohnblöcke erhitzten schon vor dem Bau die Gemüter. Vor allem die Anrainer beschwerten sich über fehlende Abstandnachsichten und eine überdimensionierte Größe.
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Im Jahr 2020 startete ein Bauverfahren für besagtes Wohnbauprojekt. Es sollte wesentlich größer werden als alles in der Umgebung. Die Stadt Bludenz hatte über diesen Bereich nie einen Bebauungsplan beschlossen, der eine Baunutzungszahl vorgeben würde. Allerdings soll hier verdichtet gebaut werden. Damit, dass es so dicht werden sollte, hatte aber niemand eine Freude. Am 9. Juni stellte der Amtssachverständige der Stadt fest: Eine Bebauungsdichte von über 60 sei untypisch. Und weiter: “Aus stadtplanerischer Sicht kann die Umgebung durch das Bauvorhaben wesentlich negativ beeinträchtigt werden. Anhand der folgenden planerischen Rahmenbedingungen bzw. Auflagen ist zu erwarten, dass diese weitgehend verhindert werden können.” Diese Auflagen sind anschließend in einer Sitzung der Stadt besprochen worden. Die zuständige Abteilung arbeitete den Baubescheid aus, legte ihn dem Bürgermeister vor. Und Simon Tschann unterschrieb. Eine verhängnisvolle Unterschrift, wie sich jetzt herausstellt.

Die Nachbarn setzten alles in Bewegung, um den imposanten Bau vor ihren Gärten zu verhindern. Die Bezirkshauptmannschaft, der Landesvolksanwalt und der Landesverwaltungsgerichtshof prüften den Baubescheid. Einhellige Meinung: Formal ein schludriges Bauverfahren, den Dokumentationspflichten nicht immer nachgekommen, aber der Bescheid ist in Ordnung, es konnte kein formeller Missstand festgestellt werden. Allerdings wandte sich ein Politiker der Stadt an die Staatsanwaltschaft und erstattete Anzeige. Vor zweieinhalb Jahren begann die Polizei zu ermitteln – und legte jetzt das Ergebnis vor. Am Dienstag im Laufe des Tages erfuhr Simon Tschann davon: Anklage gegen den Bürgermeister.
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Ihm werden zwei Delikte vorgeworfen, erklärt Karin Seidl-Wehinger, Vizepräsidentin des Landesgerichts Feldkirch, den VN. Einmal geht es um den Baubescheid selbst. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Bürgermeister Amtsmissbrauch vor. Er soll wissentlich und zum Schaden der Stadt einen gesetzeswidrigen Baubescheid unterschrieben haben. Die Ermittler sagen, er habe entgegen dem Gutachten des Amtssachverständigen unterschrieben.

Zwar darf ein Bürgermeister eine Entscheidung entgegen dem Gutachten treffen – er muss sie aber begründen. Und diese Begründung ist nicht dokumentiert. Daraus leitet die Staatsanwaltschaft ab, dass sie gar nicht existiert. Tschann versteht die Welt nicht mehr. “Das ist der am besten überprüfte Bescheid überhaupt. Ich kann die Vorwürfe nicht nachvollziehen, habe jetzt aber die Möglichkeit, sie zu entkräften”, betont er im VN-Gespräch.
Zweiter Anklagepunkt: falsche Beurkundung in zwei Fällen. Der Bürgermeister soll ein Schriftstück an den Landesvolksanwalt und eines an die Bezirkshauptmannschaft geschickt haben. Seidl-Wehinger erklärt: “Diese beiden Urkunden beziehen sich auf das Bauvorhaben. Der Vorwurf lautet, dass sie inhaltlich nicht stimmen.” Der Grund dürfte sein, dass sich die Schriftstücke auf den Baubescheid beziehen, der aber laut Staatsanwaltschaft gesetzeswidrig sein soll. Ergo soll das auch für diese beiden Schriftstücke gelten.
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Landeshauptmann und ÖVP-Chef Wallner deckt dem Bürgermeister den Rücken. “Ich werde mich nicht in ein laufendes Verfahren einmischen. Die Gerichte müssen beantworten, ob alles rechtlich korrekt abgelaufen ist. Aber der Bürgermeister hat ein faires Verfahren verdient.” Über mögliche Konsequenzen könne man – falls überhaupt – erst nach dem Verfahren sprechen.
Anders sieht es die Opposition. Die SPÖ Bludenz etwa: “In anderen Ländern wäre eine solche Anklage ein Grund für einen Rücktritt”, lässt Klubobmann Bernhard Corn ausrichten. Aber: “Dieser Fall gehört von der unabhängigen Justiz vor Gericht geklärt. Anschließend müssen die politischen Konsequenzen daraus gezogen werden.” Die Grüne Landtagsabgeordnete Nadine Kasper ärgert sich: “Die bisherigen Aussagen des Bürgermeisters sind äußerst irritierend. Wir fordern volle Aufklärung und eine inhaltliche Stellungnahme des Bürgermeisters.” Er solle sich nicht an seinen Mitarbeitern abputzen.
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Neos-Nationalratsabgeordneter Gerald Loacker fragt sich, warum die Staatsanwaltschaft Feldkirch so lange für die Ermittlungen benötigte. “Für die betroffenen Nachbarn kommt das alles zu spät. Selbst wenn am Ende ein Schuldspruch herauskommen sollte, steht das Gebäude, das dem Ortsbild abträglich ist, fixfertig da.” Dass die Bezirkshauptmannschaft den Bau als richtig befunden habe, werfe zudem ein schlechtes Licht auf sie.
Tschann selbst betont, dass es nicht nur für ihn, sondern auch für seine Mitarbeiter eine schwierige Situation sei. “Ich stehe hinter ihnen. Sie haben alle nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt.” Er hofft, dass die Verhandlung noch diesen Herbst beginnt.