Wallner zur Führerschein-Causa: “Niemand hat etwas davon, dass sich Behörde und Fahrschulen im Kriegszustand befinden”

Land zieht in der Führerschein-Causa personelle Konsequenzen. Landeshauptmann bei der Beurteilung aber vorsichtig.
Bregenz Die Politik steht vor einem arbeitsreichen Herbst. Sie muss die Teuerung in den Griff bekommen, das eigene Budget auf Bundes- wie auf Landesebene sanieren und die Wirtschaft ankurbeln. In Vorarlberg wird sie sich mit einem weiteren Thema auseinandersetzen müssen: Die Führerschein-Causa steht vor der Aufarbeitung. Am 17. September lädt die Opposition zum Kontrollausschuss. Im VN-Gespräch sagt Landeshauptmann Markus Wallner die Beantwortung aller Fragen zu – und bestätigt, dass der zuständige Verwaltungsmitarbeiter mit Fahrprüfungen in Zukunft nichts mehr zu tun hat.
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Die Beschwerden über die Prüfpraxis im Land haben sich seit 2022 gehäuft. Immer wieder sind die Fahrschulen auf das Land zugegangen. Für Landeshauptmann Wallner hat das Land auch darauf reagiert: “Wir haben eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die fünf Vorschläge ausgearbeitet hat. Man hat mit der Umsetzung begonnen, dann kam die Wahl dazwischen, aber jetzt ist man wieder im Flug.” Seit November 2024 hat sich die Arbeitsgruppe dreimal getroffen. “Ich bin aber unzufrieden mit dem Tempo. Man diskutiert zwei Jahre, um die Lage zu verbessern, und das ist in dieser Zeit nicht geschehen”, ärgert sich der Landeshauptmann. “Niemand hat etwas davon, dass sich Behörde und Fahrschulen im Kriegszustand befinden.” Die Neos kritisieren ebenfalls: “Erst im November 2024 kam es zur ersten Sitzung, seither tagte sie dreimal – ohne nennenswerte Ergebnisse. Da stellt sich schon die Frage: Was hat man in all den Jahren zuvor gemacht?”, sagt Abgeordnete Fabienne Lackner.
Innerhalb des Landesdienstes habe Wallner Konsequenzen gezogen, berichtet er. “Der betroffene Sachverständige ist abgezogen, er führt diese Funktion auf Dauer nicht mehr aus.” Zudem laufe eine interne Revision durch die Kontrollabteilung des Landes. Da gehe es etwa darum, ob alle Prüfungen außerhalb der Dienstzeiten ausgeführt und ob alle Regeln zu Nebenbeschäftigungen eingehalten wurden. “Der Vorwurf der Bereicherung muss ebenfalls gründlich geprüft werden, damit wird sich die Staatsanwaltschaft befassen müssen. Ich bin mit solchen Vorwürfen vorsichtig.” Klar sei aber auch: Eine schlüssige Erklärung für die hohe Durchfallquote fehle bisher. Er stehe einer Aufklärung nicht im Wege.
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Auch einer Systemänderung mit hauptamtlichen Prüfern steht Wallner offen gegenüber, das Thema liege allerdings in der Hand des Bundes. Und da sich das aktuelle System in allen anderen Bundesländern bewähre, sehe die Bundesregierung hier wenig Änderungsbedarf.
Landesbedienstete dürfen die Nebentätigkeit unter den neu beschlossenen Einschränkungen weiter ausführen. “Das könnte man auch bei der Polizei gewährleisten”, ist Wallner überzeugt. Schließlich müssen angehende Prüfer einschlägige Berufspraxis nachweisen – und die gebe es eben unter anderem bei der Polizei. “Sie wäre eigentlich prädestiniert dafür”, sagt der Landeshauptmann.
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Laut einer Anfragebeantwortung an die Neos haben die im Landesdienst tätigen Prüfer in den Jahren 2019 bis 2024 durchschnittlich 960 Euro brutto pro Monat zusätzlich verdient. Fabienne Lackner fragt sich: “Wie geht sich das neben einer Vollzeitbeschäftigung aus?” Derzeit sind elf Mitarbeiter des Landes als Fahrprüfer tätig, zwei davon befinden sich im Ruhestand, zwei arbeiten in der Abteilung für Verkehrsrecht. Wichtig ist Wallner zu betonen, dass er keine Prüfer aussuche. Die Ernennungen würden nicht über seinen Schreibtisch wandern. “Die Verkehrsabteilung führt das laut Gesetz im Auftrag des Landeshauptmanns als Organ der mittelbaren Bundesverwaltung durch. Ich sehe nicht einmal, wen sie bestellen.”
7887 Fahrprüfungen für die Führerscheinklasse B sind in Vorarlberg im Vorjahr absolviert worden. 48 Prozent davon negativ.
Führerschein-Causa: Worum es konkret geht
HOHE DURCHFALLQUOTE In den letzten Jahren ist die Durchfallquote bei praktischen Fahrprüfungen in Vorarlberg deutlich angestiegen. Zuletzt ist jeder Zweite bei einer Prüffahrt gescheitert. Weit mehr als in anderen Bundesländern. Erklärung dafür gab es lange Zeit keine.
VN-ENTHÜLLUNGEN Vertrauliche Listen zu den Vergütungen der Fahrprüfungen dokumentieren ein lukratives Geschäft für viele der Prüfer. Einzelne von ihnen kamen auf einen Nebenverdienst von jährlich bis zu knapp 50.000 Euro.
GESCHÄFTSMODELL Das Geschäft mit Fahrprüfungen war im Vorjahr 580.000 Euro schwer. Die Hälfte davon spülten Wiederholungsprüfungen in die Sachverständigen-Kassa. Der Verdacht: mögliche Bereicherung auf dem Rücken von Fahrschülern.
WILLKÜR-VERDACHT Dutzende Fahrschüler haben sich in den letzten Tagen in der Redaktion gemeldet. Ihre Schilderungen zeichnen ein Bild von Willkür. Tatsächlich gibt es bei einzelnen Prüfern auffällig hohe Durchfallquoten.
NETZWERK Mehrere Quellen beschreiben ein Netzwerk einzelner Sachverständiger. Die Fäden sollen bei einem der Behördenmitarbeiter zusammenlaufen.