Christian Rainer

Kommentar

Christian Rainer

Four more weeks

Politik / 30.08.2024 • 12:41 Uhr

Niemals englische Titel. Habe ich als Journalist irgendwann gelernt. Das war allerdings vor dem Internet. (Exkurs: Als ich Mitte der 1990er-Jahre Chefredakteur der „Wirtschaftswoche“ war, meinte mein Kollege Christian Ortner, wir sollten einmal eine Titelgeschichte über „diese Sache machen, dieses Internet“. Er setzte sich mit dem Vorschlag eher knapp durch.) Heute ist Englisch Teil unserer Kulturtechnik geworden. Also auch englische Titel.

„Four more years“. Das bezieht sich üblicherweise auf den Wunsch nach der Wiederwahl eines Politikers, vorzugsweise des amerikanischen Präsidenten. Mit dieser Assoziation wollte ich Sie fangen. Ich meine mit „Four more weeks“ jetzt aber, dass Österreich in genau vier Wochen wählen wird, dass Sie wählen werden. Das Ergebnis der Wahl erscheint gemäß den seit Monaten unveränderten Umfragen so halbwegs gesetzt: FPÖ vor ÖVP vor SPÖ und dann Grüne und Neos gleichauf. Allenfalls könnte die SPÖ noch die ÖVP überholen, derzeit sieht es nicht danach aus.

Wir haben also den Gutteil des Wahlkampfes bereits hinter uns. Daher frage ich mich, was wir bisher eigentlich erfahren haben, das unsere Entscheidung beeinflussen kann. Ich meine: denkbar wenig. Die nun frisch affichierten Plakate geben wie üblich wenig her. Zumal die FPÖ da auf staatstragend macht. Unsere Hauptinformationsquelle waren die ORF-Sommergespräche, für die Aufmerksamen (und Leidensfähigen) unter Ihnen auch Zeitungsinterviews. Mir fehlen vor allem zwei Dinge.

Erstens würde ich natürlich gerne mehr Programmatisches erfahren, also mehr über die Inhalte, mit denen uns eine Partei beglücken würde, wenn sie Teil einer Regierung wäre. (Oder wählen Sie, damit die gewählte Partei kein Interesse hat zu regieren und die Programme nicht umgesetzt werden?) Aber genau da haben wir wenig bis nichts Konkretes erfahren. Grüne und Neos ergingen sich in Gemeinplätzen. Herbert Kickl ließ zwar durch ein wirtschaftsfreundliches Programm aufhorchen, das wir aber sofort als banales Signal an die Volkspartei decouvrierten. Andreas Babler allenfalls? Naja. Er verwendete seine ORF-Sendezeit vor allem für eine absurde Schelte der eigenen Partei. Dann beklagte er die Kinderarmut, wo niemand widersprechen wird. Und dann war noch das mit den Vermögenssteuern: Das hat freilich wenig Bedeutung, weil Babler mangels zu erwartender absoluter Mehrheit keinen Koalitionspartner finden wird, der das mit ihm umsetzt. Vielleicht überrascht uns Karl Nehammer ja noch am kommenden Montag. Was ich allerdings bezweifle, es ist ja Karl Nehammer. Insgesamt: Wir sollten die Versprechungen schon deshalb nicht ernst nehmen, weil kaum etwas von dem Versprochenen finanzierbar sein wird. Und schließlich: An die heiklen Themen Neutralität und Pensionsalter wagte sich niemand heran.

Zweitens: Ich bin es wirklich, wirklich, wirklich satt, bei jeder Wahl ohne Antworten zu Koalitionspräferenzen dazustehen. Die Argumente, das könne man „noch nicht sagen“, weil jetzt einmal „der Wähler am Wort ist“, weil „die Konstellationen nicht absehbar sind“, weil man „nicht weiß, was dann ist“, weil „es jetzt einmal darauf ankommt, uns zu stärken“, diese Argumente sind – erlauben Sie mir ausnahmsweise das Wort – eine Verarschung der Wählerinnen und Wähler.

Gerade mangels glaubwürdiger Inhaltsperspektiven: Nichts muss uns mehr interessieren als die Frage, wer mit wem regieren will und mit wem nicht. Mangels absoluter Mehrheiten dürfen wir unsere zukünftige Regierung nämlich nicht wählen, dürfen wir nicht über die nächsten fünf Jahre entscheiden. Daher haben wir das verdammte Recht zu erfahren, wie sich diese Regierung zusammensetzen könnte, wenn wir uns für eine bestimmte Partei entscheiden.