Expertin analysiert die Wahlplakate: “Keine Ahnung, wer beim Autofahren den QR-Code fotografiert”

Sie gehören zum Wahlkampf wie Ferrari zur Formel 1: Auch heuer dominieren Wahlplakate das Straßenbild? Aber was bringen sie? Und sind sie gut gemacht? Expertin Kathrin Stainer-Hämmerle antwortet.
Schwarzach Von “Euer Wille geschehe” über “die starke Mitte” bis hin zum “besseren Österreich”: Der Intensivwahlkampf bringt nicht nur eine Fülle an Diskussionen, Pressekonferenzen und Wahlkampfterminen mit sich. Die Zeit vor der Wahl verändert auch das Straßenbild. Und sie sind wichtig, sagt die Politikwissenschaftlerin Kathrin Stainer-Hämmerle von der FH Kärnten. Die Bedeutung von Wahlplakaten dürfe nicht unterschätzt werden.
“Plakate sind das letzte Massenmedium. Menschen, die sich nicht für Politik interessieren, werden im öffentlichen Raum mit den Parteien konfrontiert. Aber Plakate sind sehr verkürzt. Wenn man eine Botschaft nicht schon vor Monaten verbreitet und vorbereitet hat, kommt man mit den Plakaten nicht mehr durch. Neue Themen können in dieser Phase des Wahlkampfs nicht mehr platziert werden.” Die Expertin hat für die VN analysiert, welcher Partei es gut gelingt, die Botschaft zu platzieren – und welcher nicht.

Die ÖVP plakatiert ihren Spitzenkandidaten, Bundeskanzler Karl Nehammer, mit dem Slogan: “Die starke Mitte”. Für Stainer-Hämmerle ist der Spruch nachvollziehbar. “Er warnt vor den extremen Rändern. Um den Kanzlerbonus ausschöpfen zu können, muss er sich zentral positionieren. Da ist ‘Die starke Mitte’ eine gute Positionierung, zumal sich ein Großteil der Bevölkerung in der Mitte verortet. Was auch auffällt: Das Plakat zeigt eine starke Personalisierung, das ÖVP-Logo fehlt.” Die Partei setzt klar auf Nehammer als Person. “Mich überrascht, dass er keine Krawatte trägt”, fährt die Expertin fort. “Er spricht die Menschen in den Videos auch per Du an. Nehammer versucht, nicht als abgehobene Elite zu wirken.”
Das Motiv sieht sie kritisch. “Das Foto ist nicht gelungen. Er hat die Hände auf einem Glasgeländer und beugt sich vor, das wirkt ein wenig komisch.” Zudem sei das Wahlplakat nicht sonderlich originell, sondern konservativ – was für eine konservative Partei aber passe. Ihr Fazit: “Die Plakate sind nichts Neues. Ich würde nicht sagen, dass sie gut gemacht sind. Aber die Kampagne ist handwerklich ganz ordentlich, ohne große Überraschung.”

Auch das Bild auf den SPÖ-Plakaten ist für Stainer-Hämmerle nicht besonders gelungen. “Alte Menschen mit Frauen abzubilden, ist klischeehaft. Alter wird immer mit alten Frauen dargestellt, man sieht zu wenig alte Männer.” Das sei etwas, das einer Partei wie der SPÖ eigentlich nicht passieren sollte. “Was mich am meisten erstaunt, ist aber die ständige Ansprache mit ‘Du’ und ‘Dich’.” Die SPÖ sei eigentlich eine Partei, die für Solidarität und Gemeinsamkeit stehe. “Jetzt heißt es: ‘für Deine Pension’, ‘für Dein Österreich’. Diese einzelnen Ansprachen bei einer Partei, die auf soziale Netzwerke und Solidarität setzt, sind für mich ein Widerspruch.” Es sollte stattdessen etwa “für unser Österreich” heißen. Zudem sei das Plakat überladen: unten Babler, daneben die SPÖ, oben ein QR-Code. “Keine Ahnung, wer beim Autofahren den QR-Code fotografiert”, sagt Stainer-Hämmerle.
Auf manchen Plakaten zeigt sich Babler als Kanzlerkandidat. “Er trägt eine Krawatte, blickt aber den Wähler nicht an”, analysiert die Expertin. “In der Psychologie heißt es, dass man Menschen, die einem nicht in die Augen schauen, als weniger ehrlich wahrnimmt. Das ist bei Andreas Babler auch in TV-Diskussionen auffallend.” Daneben stehen Plakate von Karl Nehammer und FPÖ-Spitzenkandidat Herbert Kickl. “Sie richten den Blick direkt auf den Betrachter.”

Für Stainer-Hämmerle hat die FPÖ “unbestritten die beste Kampagne”. “Mich hat überrascht, dass sie auf ‘die soziale Heimatpartei’ verzichten. Diesen Slogan haben sie sich jahrelang erarbeitet. Und das Parteilogo findet sich nicht dort, wo man es erwartet. Dort steht Kickl.” Die Reduktion auf Kernbotschaften sei handwerklich sehr gut gemacht. “Die Sprüche treffen genau das, was FPÖ-Wählerinnen und Wähler erwarten.” Dass Kickl mit “Euer Wille geschehe” auf die Religion anspiele, sei nicht neu. “Das hat er schon 2013 für Strache gemacht, als Strache mit ‘Liebe deinen Nächsten’ plakatierte.”
Spannend sei, dass Kickl sympathisch wirke. “Nicht so wie bei der EU-Wahl, als die FPÖ diese wüsten Bilder mit Von der Leyen, Selensky, Bomben und Krieg plakatiert hat. Kickl versucht – unerwartet für eine Oppositionspartei – nicht, andere schlecht zu machen und Stimmung zu schüren. Stattdessen präsentiert er sich sympathisch und blickt mit ‘für fünf gute Jahre’ in die Zukunft.” Die Kampagne der FPÖ sei gut vorbereitet worden, fährt Stainer-Hämmerle fort. “Man kann sich nur reduzieren, wenn man davor die Botschaft schon verbreitet hat – wie Kickl als Volkskanzler, der ausgegrenzt wird, während die Stimmung im Land schlecht ist. Wenn das schon sitzt, kann man mit dieser Reduktion und Personalisierung arbeiten.”

Auch die Kampagne der Grünen gefällt Stainer-Hämmerle sehr gut. “Eigentlich kennt man alles schon. Die Grünen haben nur zwei Themen: Einerseits die FPÖ verhindern, andererseits Klima und Krise, mit dem Slogan ‘Wähl, als gäbe es keinen Morgen’.” Spitzenkandidat Vizekanzler Werner Kogler sei in diesen Punkten glaubwürdig.
Die Grünen müssten gar keine weiteren Themen plakatieren. “Es ist geschickt, aufs Klimathema zu setzen, da die anderen Parteien das nicht mehr im Vordergrund haben. Allerdings ist es auch in der breiten Bevölkerung nicht mehr das Topthema. Für die eigenen Sympathisanten aber schon. Und die versuchen die Grünen abzuholen.” Auch das Design sei bereits bekannt. “Das Corporate Identity haben sie gut weitergeführt.”
Die Emotionalisierung sei ebenfalls gelungen. “Die Zuspitzung zu einer Entweder-oder-Wahl sowohl beim Klima als auch bei der FPÖ ist emotional und dient der Mobilisierung.”

Von der Kampagne der Neos ist Stainer-Hämmerle nicht sonderlich begeistert. “Ihre Plakate waren sonst immer recht gut. Dieses Mal sind sie nicht sonderlich geglückt. Bei der ersten Plakatwelle ist Spitzenkandidatin Beate Meinl-Reisinger auf einem bisschen düsteren, dunklen Plakat zu sehen gewesen. Und auf den kleinen Plakaten sind zu viele Zahlen.” Sie dürften wohl für die urbane Wählerschicht gedacht sein. “Die Neos fokussieren sich auf städtische Räume, da sind Menschen zu Fuß unterwegs und haben vielleicht mehr Zeit, die Plakate zu lesen.”
Insgesamt sei das mit den Zahlen ein Problem. “30.000 neue Lehrer? Wer kann sich diese Zahl vorstellen? Also was bedeutet das? Oder zehn Prozent mehr netto? Das ist nicht sehr geglückt.” Der Fokus auf die Reformkraft sei hingegen gut gewählt. “Aber der Slogan ist nicht besonders emotional. Das ist wie immer bei den Liberalen: Die Botschaften richten sich an den Kopf, nicht an den Bauch. Anders als etwa bei den Grünen.” Insgesamt hätte sie Meinl-Reisinger mit mehr Energie dargestellt. “Emotional packen die Plakate niemanden.”

Die Fülle an Wahlplakaten an Österreichs Straßen sei ein Zeichen dafür, dass die Parteien in Österreich über viel Geld verfügen, ist Stainer-Hämmerle überzeugt. “Österreichs Parteien sollten weniger Geld für den Wahlkampf ausgeben, was auch weniger Plakate bedeuten würde. Das würde nicht wahnsinnig viel Schaden anrichten. Aber man kann nicht auf Plakate verzichten, weil sie alle erreichen. Und wenn es nur darum geht, zu sagen: ‘Es ist Wahl und uns gibt es auch’.” Die Menge sei jedoch übertrieben. “Das gibt es in keinem anderen Land. In anderen Ländern haben die Parteien nicht so viel Geld zur Verfügung.”