Weniger weibliche Abgeordnete: “Viele Themen ohne Geschlechterdimension”

Im Nationalrat ist der Anteil der Frauen gesunken. Eine Expertin und ein Experte schildern, wie sich das auswirkt.
Schwarzach Im Landtag sind 17 der 36 Abgeordneten, also rund 47 Prozent, weiblich. Das ist viel höher als im Nationalrat in Wien, in dem dieser Wert nur noch bei 36 Prozent liegt. Es stellt sich daher die Frage, wie gut es um die politische Repräsentation der Frauen in Österreich steht. Der Vorarlberger Ökonom David Stadelmann von der Universität Bayreuth, der zu dem Thema forscht, erklärt, dass es kein Problem sein muss, wenn das Verhältnis von 50:50 abweicht. “Es ist nicht systematisch so, dass weibliche Abgeordnete näher bei Frauen sind als männliche Abgeordnete.” Wie Männer wählten Frauen jene Personen, die am besten zu ihren Interessen passen.
Die Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle sieht Unterschiede im Wahlverhalten. Sie ist sich auch sicher: Frauen sind zum Teil andere Themen wichtig als Männern, welche bei einem höheren Politikerinnen-Anteil auch auf den Tisch kommen. Als Beispiel nennt sie das im Sommer beschlossene Dickpic-Verbot. Die Diskussionskultur ändere sich ebenfalls. “Die Ordnungsrufe im Nationalrat gehen fast ausschließlich an Männer.”
Anteil gesunken
Nach den vergangenen Wahlen ist der Frauenanteil im Nationalrat von rund 40 auf 36 Prozent gesunken. Das dürfte mit dem Rechtsruck beziehungsweise der stärkeren FPÖ zu tun haben, sagt Stainer-Hämmerle, die an der FH Kärnten lehrt. Die FPÖ stellt den geringsten Anteil an Frauen. Im Landtag stieg der Frauenanteil übrigens zuletzt wieder von 44 auf 47 Prozent, nachdem im Juni Nadine Peschl auf Patrick Wiedl (beide ÖVP) folgte.

Hinsichtlich Wähler-Präferenzen verweist Stadelmann auf das Beispiel Schweiz, wo es häufig zu Volksabstimmungen kommt. Hier ließe sich gut messen, was die Mehrheit der Frauen und was die Mehrheit der Männer will. Im Regelfall sei das deckungsgleich. “Es gibt viele Themen in der Politik, die keine Geschlechterdimension haben.” Männliche Abgeordnete müssten auch Frauen, weibliche Abgeordnete auch Männer vertreten, aber ebenso Kinder, Migranten und so weiter, unterstreicht der Ökonom. Es gebe sehr viele Aspekte, das Geschlecht sei nur einer davon, andere sind etwa Beruf, Alter oder Wohlstand.
Im Vorarlberger Landtag hat die jüngste Abgeordnete den Jahrgang 1997 (Fabienne Lackner, Neos), der älteste Mandatar 1960 (Hubert Kinz, FPÖ). Bei den Berufen zeichnet sich kein einheitliches Bild ab: Häufig sind die Landtagsabgeordneten auch in der Kommunalpolitik tätig, etwa als Gemeinderäte, Vizebürgermeister oder Bürgermeister. Es gibt unter anderem Juristen und Rechtsanwälte, Landwirte, Selbstständige und Unternehmer.
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Zum Glück wählten Frauen jene, die sie aus ihrer Sicht besser vertreten, unabhängig davon, ob diese Personen männlich oder weiblich sind, sagt Stadelmann weiter. Er erwähnt die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, deren Partei Fratelli d’Italia als rechtsextrem gilt. In der Tendenz seien es wohl eher Männer, die von ihr vertreten sein wollen. “Es waren vermutlich auch eher konservative britische Männer, die Margaret Thatcher gewählt haben, nicht Frauen.” Es gehe um die jeweils gewünschte Qualität der politischen Vertretung, nicht um deren Eigenschaften.

FPÖ holte bei Frauen auf
Politologin Stainer-Hämmerle schildert wiederum, dass es in Österreich gerade bei der FPÖ lange Zeit große Unterschiede im Wahlverhalten von Frauen und Männern gab. Tendenziell wurde die Partei eher von Männern gewählt. Dies habe sich bei der letzten Nationalratswahl verändert. “Die Freiheitlichen holten bei den Frauen stark auf.” Die Politologin verweist darauf, dass die FPÖ ein konservatives Familienbild vertritt. Die ÖVP sei auf Druck der Wirtschaft davon abgerückt, wodurch die FPÖ gerade für viele konservative Frauen attraktiver geworden sein dürfte. Der Expertin zufolge gibt es Themen, die eher Wählerinnen, je nach Weltanschauung, ansprechen. Ein anderes wäre zum Beispiel die Geschlechterdifferenz bei den Pensionen. Sie betont: “Frauen haben andere Erfahrungen, andere Expertise, andere Thesen.” Diese müssten über alle Parteien eingebracht werden.