Sozialwohnungen für den Mittelstand

Neue Richtlinie vor Beschluss: Land erhöht Einkommensgrenzen für gemeinnützigen Wohnbau massiv. Armutskonferenz fordert mehr Bauleistung.
Schwarzach Die Wartelisten für Sozialwohnungen in den Gemeinden werden länger. Denn die Zahl der Antragsberechtigten wird kräftig steigen. Der Wohnbauförderungsbeirat hat beschlossen, die Einkommensgrenzen zu erhöhen. Damit soll der Mittelstand berücksichtigt werden, heißt es aus dem Land. Kritik kommt von der Armutskonferenz: Zwar sei die Erhöhung an sich richtig. Es bräuchte jedoch zunächst mehr Wohnungen, sagt deren Sprecher Michael Diettrich.
Diettrich hat sich die Bauleistung im gemeinnützigen Wohnbau angesehen und ärgert sich: “Ich verstehe das nicht. Wir haben eine Rezession in der Bauwirtschaft, da hätte man Gas geben können, so wie es manche Parteien im Landtag bereits im Frühjahr 2023 gefordert haben. Statt Gasgeben hatten wir im ersten Halbjahr 2024 die niedrigste Bauleistung im gemeinnützigen Wohnbau seit 2011.”
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Diettrich fordert, dass das Land 1000 gemeinnützige Wohnungen pro Jahr bauen lassen soll. Noch immer habe Vorarlberg den geringsten Anteil an Sozialwohnungen im Vergleich zu den anderen Bundesländern. “Die Wohnbaupolitik des Landes in dieser Legislaturperiode war ambitionslos”, kritisiert er. Auch den Umstand, dass sich der zuständige Landesrat Marco Tittler (ÖVP) nicht mehr auf ein fixes Ziel festlegen möchte, hält er für falsch. “So gibt es nur nachher keine Zielverfehlung mehr, weil man keinen Wert genannt hat. Wir erwarten, dass es in der nächsten Legislaturperiode so weitergeht wie bisher.” Insgesamt würden 18.000 gemeinnützige Wohnungen fehlen, um den Österreichschnitt zu erreichen, rechnet Diettrich vor. Dass der Fokus der Politik vor allem auf Eigentum liegt, sieht er ebenfalls kritisch. Die Eigentumsförderung sei Politik für einkommensstarke Haushalte, stattdessen soll das Geld in den Bau gemeinnütziger Wohnungen investiert werden, ist Michael Diettrich überzeugt. “Selbst beim Mietkaufmodell der Vogewosi landet man bei einer 75-Quadratmeterwohnung nach fünf Jahren bei einem Kaufpreis von 450.000 Euro. Das ist nicht unbedingt das, was sich ein normaler Mittelschichthaushalt einfach so leisten kann.”
Dafür soll der Mittelschichthaushalt jetzt die Chance bekommen, sich für gemeinnützige Wohnungen anzumelden. Der Wohnbauförderungsbeirat hat empfohlen, die Einkommensgrenzen zu erhöhen – am kommenden Dienstag muss noch die Landesregierung zustimmen. Die Einkommensgrenze orientiert sich nun an jener für die Wohnbauförderung. Da letztere regelmäßig an die Teuerung angepasst wird, geschieht das in Zukunft auch mit der Grenze für den sozialen Wohnbau. Und zwar liegt sie jetzt bei 80 Prozent der Wohnbauförderungsgrenze und gilt für gemeinnützige Mietwohnungen, Kaufanwartschaftswohnungen und betreute Wohnungen. Die neuen aktuellen Grenzen: für eine Person 3200 Euro netto Monatseinkommen, für zwei Personen 5600 Euro, für drei oder mehr Personen 6600 Euro. Die Gemeinden dürfen die Einkommensgrenze sogar noch überschreiten, wenn das für eine soziale Durchmischung nötig ist, erklärt Landesrat Tittler.
Die Grünen haben andere Pläne, um Wohnen leistbarer zu machen. Nationalratsabgeordnete Nina Tomaselli fordert eine Wohnkostengarantie. “Niemand soll mehr als ein Drittel des Einkommens für Wohnen ausgeben müssen.” Das soll gelingen, indem Mieten reguliert, Leerstand mobilisiert und Bau- und Grundstückskosten bezahlbar werden. Mieten sollen reguliert werden, in dem große Mieterhöhungen unter Strafe gestellt werden. Zudem soll ein Wohnbauministerium die Kompetenzen bündeln, hält Tomaselli fest. “Die beste Mietpreisbremse ist und bleibt der gemeinnützige Wohnbau”, ist sie überzeugt. Wie die Armutskonferenz fordert deshalb auch sie, dass das Geld aus der Wohnbauförderung vor allem für den sozialen Wohnbau verwendet wird. Die Vorarlberger SPÖ betont erneut, dass in Vorarlberg 11.000 gemeinnützige Wohnungen gebaut werden müssen. Auch die Neos fordern mehr Tempo beim Bau.
Vogewosi-Chef Hans-Peter Lorenz hat zu diesem Thema im Vorjahr in einem Interview mit dem Verband der gemeinnützigen Bauvereinigungen Stellung bezogen. Bei aktueller Konjunktur geht er davon aus, dass pro Jahr höchstens 400 bis 500 neue Wohnungen möglich sind. Dass sich die preisliche Situation entspannt, glaubt er nicht. “Ich bin seit 36 Jahren in der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft und habe es noch nie erlebt, dass die Grundstückspreise und die Baukosten zurückgegangen sind, sie sind maximal seitwärts gegangen.”