Nach FPÖ-Triumph: Expertin sieht “Wunsch nach Veränderung”

Politik / 29.09.2024 • 22:41 Uhr
ABD0457_20240929 – …STERREICH-WEIT – …STERREICH-WEIT: Dagmar Belakowitsch (FP…), Herbert Kickl (FP…) und Susanne FŸrst (FP…) am Sonntag, 29. September 2024, anlŠsslich der FP… Wahlparty im Rahmen der Nationalratswahl in Wien. – FOTO: APA/ROLAND SCHLAGER
Die FPÖ unter ihrem Parteichef Kickl wurde stärkste Kraft. APA/Schlager

Politikwissenschaftler analysieren FPÖ-Wahlsieg und loten Möglichkeiten für Koalitionsgespräche aus.

schwarzach “Der Wunsch nach Veränderung war größer als die Angst, dass die FPÖ regiert.” So kommentiert Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle den Triumph der Freiheitlichen bei der Nationalratswahl 2024. Am Ende hätten die Freiheitlichen  besser mobilisieren können als die ÖVP, sagt die Vorarlbergerin zu den VN. Der Volkspartei sei die Aufholjagd weniger knapp gelungen als erhofft. Markus Rhomberg, Experte für politische Kommunikation, ortet im Wahlstudio von VN und VOL.at zwei Premieren: Zum ersten Mal sei die FPÖ stärkste Partei bei der Nationalratswahl in Österreich. Zweitens liege die SPÖ erstmals auf dem dritten Platz.Wolfgang Weber, Historiker und Politikwissenschaftler, gibt indes hinsichtlich FPÖ-Chef Herbert Kickls Aussagen zu bedenken: “Volkskanzler sieht anders aus.” Es handle sich zwar um einen Wahlgewinn. Doch zwei Drittel hätten seine Partei nicht gewählt.

Nach FPÖ-Triumph:  Expertin sieht "Wunsch nach Veränderung"
Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle. Prugger

“FPÖ wird Teufel tun”

Sowohl Rhomberg als auch Stainer-Hämmerle sind sich einig: Die Gespräche über die künftige Regierungszusammenarbeit werden spannend. “Das ist ein superschwieriges Ergebnis für die Koalitionsverhandlungen”, bekräftigt Rhomberg. Er ist sich sicher: “Die FPÖ wird den Teufel tun und Herbert Kickl auswechseln.” Keine andere Partei wollte bislang mit den Freiheitlichen unter Kickl eine Regierung bilden.

Auch Stainer-Hämmerle bezeichnet den FPÖ-Vorsitzenden als den Sieger der Wahl. “Dass sie so deutlich gewonnen haben, macht es schwieriger, dass ÖVP und FPÖ zusammenkommen.” Die Expertin sieht indes eine mögliche Option: Kickl könnte erster Nationalratspräsident werden. Dann wäre der Weg für Verhandlungen mit der Volkspartei frei. Allerdings könnte sich auch ein Bündnis zwischen ÖVP und SPÖ ausgehen, erläutert Stainer-Hämmerle. “Dann muss man einen dritten Partner gar nicht mehr dazunehmen.” Im Vorfeld war auch mit einem schwarz-rot-pinken Dreierbündnis spekuliert worden. Mitunter könnte eine dritte Kraft, etwa die Neos, die Koalition im Nationalrat aber dulden, erklärt die Politologin. “Das würde es der SPÖ leichter machen.” Am Ende laufe es jedenfalls darauf hinaus: Die ÖVP entscheidet.

Wahlstudio - Landesparteiobleute zu Gast
Markus Rhomberg, Experte für politische Kommunikation. VN/Serra

ÖVP-Aufholjagd

Rhomberg glaubt, dass die Volkspartei als Botschaft des Wahltages “grandiose Aufholjagd” ausgegeben habe. Das ließen erste ÖVP-Wortmeldungen vermuten. Bleibe es dabei, werde Nehammer relativ fest im Sattel sitzen, sagt der Experte für politische Kommunikation. “Was sich in den Koalitionsverhandlungen dann tut, muss man abwarten.” Stainer-Hämmerle gibt mit Blick auf den ÖVP-Absturz auch zu bedenken, dass das frühere Ergebnis unter Sebastian Kurz zuvor das beste aller Zeiten gewesen sei. Deshalb sei der Vergleich für den aktuellen Kanzler mitunter auch ein wenig unfair.

Demokratie nicht in Gefahr

Auf die Frage, ob die Demokratie mit Hinblick auf den internationalen Trend mit rechten Wahlsiegen in mehreren Ländern, unter Druck ist, verneint Historiker Wolfgang Weber. “Das ist eine zyklische Bewegung.” Der Vorgang wiederhole sich alle zwanzig bis 25 Jahre. “Ich kann mich noch gut erinnern, dass alle davor gewarnt haben, dass 80 bis 90 Prozent der Staaten der EU von Sozialdemokraten regiert werden und eine rote Wende bevorsteht. Das ist nicht eingetreten.” Auch jetzt sei das so, auch wenn sicherlich ein Trend bestehe. “Das ist Teil dieses demokratischen Spiels, dass das Pendel manchmal nach links und manchmal nach rechts schlägt.”

Wolfgang Weber
Historiker Wolfgang Weber. VN/Stiplovsek

Demokratie bedeute zudem auch nicht, dass der Erstplatzierte alles bekomme und es am besten mache, betont Weber. “Demokratie heißt: Wir suchen Bündnisse, Koalitionspartner, und diese Chance haben wir nach dieser Wahl.” Eindeutige Mehrheiten gebe es nicht.

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