Kogler will FPÖ-Nationalratspräsidenten verhindern und öffnet damit “Büchse der Pandora”

Politik / 30.09.2024 • 15:38 Uhr
Kogler will FPÖ-Nationalratspräsidenten verhindern und öffnet damit "Büchse der Pandora"
Katrin Praprotnik und Peter Filzmaier kommentieren, was Veränderungen bei der Wahl der Nationalratspräsidenten bedeuten könnten. APA, VN

Der Grünen-Chef Werner Kogler rief bereits am Sonntag die anderen Parteien dazu auf, ein Nationalratspräsidium ohne FPÖ zu wählen. Damit stößt er eine kontroverse Debatte an, die langfristige Folgen haben könnte.

Wien Grünen-Chef Werner Kogler rief noch am Wahlabend die anderen Parteien dazu auf, einen ersten Nationalratspräsidenten aus den Reihen der FPÖ zu verhindern. Die “konstruktiven Kräfte in allen anderen Parteien” müssten nun die Zusammenarbeit suchen. Kogler schlug vor, dass sie sich die Parteien abseits der FPÖ auf einen ersten Nationalratspräsidenten einigen, der„tragfähig, herzeigbar und europäisch tauglich“ ist. Laut Politikwissenschafterin Katrin Praprotnik wäre das „rechtlich möglich, aber politisch fraglich“.

Offiziell gibt es keinen Klubzwang, sagt auch Politologe Peter Filzmaier den VN: „An sich haben wir ja das freie Mandat nach Artikel 56 der Bundesverfassung.“ Es ist auch nicht festgelegt, dass die drei Nationalratspräsidenten aus unterschiedlichen Parteien stammen müssen und der Vorsitz von der stimmenstärksten besetzt wird. „Wie so oft gibt es aber auch hier in Österreich eine Tradition“, sagt Filzmaier.

Dass sich die Grünen von dieser Tradition wegbewegen wollen, bewertet er so: „Damit öffnen sie eine Büchse der Pandora.“ Denn künftige Regierungsparteien – die Grünen werden höchstwahrscheinlich nicht darunter sein – könnten natürlich auch sagen, dass sie mit ihrer Mehrheit das Nationalratspräsidium wählen, das ihnen passt. „Die Vielfalt, dass auch jemand aus der Opposition im Nationalratspräsidium ist, wäre damit weg. Die Grünen sind mit der Forderung auf einer Gratwanderung, diese Tradition ganz abzuschaffen.“

Vorgeschmack auf Verhandlungen

Würden die anderen Parteien dennoch die FPÖ beim ersten Nationalratspräsidenten umgehen, dann, so meint Praprotnik, „wäre das ein Vorgeschmack auf Regierungsverhandlungen“. Es würde zeigen, was möglich ist, wenn sich die Parteien an den Freiheitlichen vorbei abstimmen. „Das wäre ein erstes Anzeichen, dass es bei einer kommenden Regierung in Richtung abseits der FPÖ geht.“

In der Anhängerschaft der FPÖ würde eine solche Vorgehensweise nicht gut angekommen, konstatiert die Wissenschafterin ebenso. Schon jetzt zeige sich in Umfragen, dass viele FPÖ-Wähler kritisch gegenüber der Demokratie und politischer Repräsentanz eingestellt sind. Aber langfristig, so ergänzt Praprotnik, „bewegt ein Nationalratspräsident die Gemüter wohl weniger als ein Bundeskanzler.“

Keine Abwahl möglich

Ein gewählter Nationalratspräsident kann nicht mehr abberufen werden. Dabei handelt es sich um einen Schutzmechanismus. „Damit wollte man sicherstellen, dass im politischen Alltagsstreit das Parlament nicht so leicht geschwächt werden kann. Denn es wäre ja etwa möglich, dass man sich einig ist, den alten abzuwählen, aber dann keine Mehrheit für den neuen Nationalratspräsidenten zustande kommt“, erklärt Filzmaier.

Zu einer möglichen Abwahl eines Nationalratspräsidenten gab es in der Vergangenheit bereits ein paar Vorstöße. Zuletzt wurden bezüglich Wolfgang Sobotka (ÖVP) Stimmen laut, die sich hier Änderungen wünschten. Dazu zählte auch FPÖ-Chef Herbert Kickl. Im Dezember des Vorjahres meinte er bezüglich Sobotka: „Wir stehen jetzt vor der tragischen Situation, dass genau dieser Schutz, der ursprünglich intendiert war, einer Person zugutekommt, die dem Parlament und damit der Demokratie einen ganz enormen Schaden zufügt.“