Wohnen, Fachkräftemangel, Migration: Hitziger Schlagabtausch vor der Landtagswahl

Politik / 02.10.2024 • 21:33 Uhr
Diskussion Landtagswahl
VN-Politikchef Michael Prock und ORF-Chefredakteurin Angelika Simma-Wallinger diskutierten mit Mario Leiter (SPÖ, v.l.), Claudia Gamon (Neos), Christof Bitschi (FPÖ), Markus Wallner (ÖVP) und Daniel Zadra (Grüne). VN/Stiplovsek

Der 13. Oktober rückt näher. Das spürt man bei den Spitzenkandidaten. Die große Wahldiskussion von VN und ORF verlief durchaus hitzig.

Dornbirn Spurlos ist die Nationalratswahl am Sonntag an den Landesparteiobleuten nicht vorbeigegangen. Umso mehr rüsten sie sich für den 13. Oktober. Dann sind über 272.000 Vorarlbergerinnen und Vorarlberger aufgerufen, über ihre Vertretung im Landtag abzustimmen. Am Mittwochabend treffen Markus Wallner (ÖVP), Daniel Zadra (Grüne), Christof Bitschi (FPÖ), Mario Leiter (SPÖ) und Claudia Gamon (Neos) zur großen Wahldiskussion von VN und ORF aufeinander. Die Themen sind vielfältig.

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Erstens: Wohnen.

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Mario Leiter, Parteichef der SPÖ. VN/Stiplovsek

Eines davon ist das Wohnen. In Vorarlberg ist es teuer. Die von der SPÖ gefordert 11.000 Wohnungen stammen vom Versagen der Schwarz-Grünen Regierung, sagt SPÖ-Chef Mario Leiter. “Was hat man hier verschlafen, was hat man falsch gemacht?” Es sei möglich, im gemeinnützigen Wohnbau nachzulegen. Erste Schritte seien gemacht worden, der Bedarf sei aber noch immer hoch. “Unsere Aufgabe wird es sein, mehr gemeinnützige Wohnbauträger nach Vorarlberg zu bringen.” Die Mittelschicht komme nicht mehr zu einem leistbaren Wohnraum.

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Landeshauptmann Markus Wallner, ÖVP. VN/Stiplovsek

Der Landeshauptmann erklärt, dass man immer auf eine kontinuierliche Bauleistung geachtet habe. “Wir haben nie ein Strohfeuer angezündet.” Der Markt sei nie überhitzt worden. Derzeit seien 730-740 Wohnungen in Bau. “Das ist eine gute Nachricht.” Der Zugang zum sozialen Wohnbau sei auch weiter in den Mittelstand geöffnet worden. Er erinnert zudem an die Wohnbauförderung. “Sie können ein Darlehen von bis zu 180.000 Euro für 1,25 Prozent Fixzins erhalten.” 

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Claudia Gamon, Obfrau der Neos. VN/Stiplovsek

“Es ist grundsätzlich ein Problem, dass das Wohnen so teuer geworden ist”, sagt Gamon. Das schade allen, auch der Wirtschaft. “Eigentum zu fördern, ist eine nachhaltige Lösung.” Die Grunderwerbssteuer sollte zurückerstattet werden, fordert sie. “Aber wir müssen auch Lösungen für den Mietmarkt haben.” Gemeinnützige Wohnungen seien dabei zentral. Das drücke auch die Preise am privaten Markt. Außerdem müsse ein Teil Vorarlbergs städtisch gebaut werden. 

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FPÖ-Chef Christof Bitschi. VN/Stiplovsek

In den Jahren 2023 und 2024 seien große Chancen verpasst worden, sagt Bitschi. Es wäre möglich gewesen, einiges aufzuholen. Zudem sei der Baupreis aufgrund der untätigen Regierung zu stark gestiegen, die Rohstoffe müssten günstiger werden. “Das Tempo bei den eigenen Projekten ist zu langsam.” Gemeinnützige Wohnungen sollten zudem nur Menschen mit Deutschkenntnissen zur Verfügung stehen, bestätigt er eine FPÖ-Forderung. 

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Grünen-Spiztenkandidat Daniel Zadra. VN/Stiplovsek

“Menschen stehen wirklich an der Wand, wenn es ums Wohnen geht”, hält Zadra fest. Daher brauche es mehr Tempo, neue Ideen und den Mut. “Ja es wurde zu wenig gemeinnützig gebaut.” Dazu habe es heftige Auseinandersetzungen in der Landeskoalition gegeben. 1000 Wohnungen sind laut Zadra realistisch. “Wir möchten auch vom privaten Sektor eine Leistbarkeitsgarantie.” Wenn umgewidmet werde, soll ein Teil des Gewinnes der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden. Einige Wohnbauträger würden das absolut befürworten. Auch sollen bestehende Quartiere verdichtet werden, mit modularer Holzbauweise.

Zweitens: Fachkräftemangel

Die Arbeitslosigkeit steigt, die Industrie schwächelt, der wirtschaftliche Motor stottert. Die Wirtschaft erlebe einen Wandel, sagt Grünen-Chef Zadra. “Wenn man zu lange auf alte Konzepte setzt, wird das Ganze problematisch.” Man müsse die Transformation als Chance sehen und mit grünen Ideen schwarze Zahlen schreiben. 

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Teilweise wurde hitzig diskutiert. VN/Stiplovsek

Christof Bitschi kontert: Mit grünen Ideen schreibe man eher rote Zahlen. “Wir wollen den Menschen nicht vorschreiben, wie sie ihr Leben zu leben haben.” Bitschi fordert ein Bürokratieabbaulandesrat: “Der hätte wohl am meisten zu tun in der Landesregierung.” Spätestens nach der Pandemie hätte man feststellen sollen, wie wichtig die regionale Wirtschaft sei. “Aber wir müssen uns ehrlich sein. In den letzten zehn Jahren hat kein einziges Gesetz Bürokratie abgebaut.” 

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Wallner betont, dass die Wahl zum Zweikampf werden könnte. VN/Stiplovsek

Das Krankjammern des Standortes bringe nichts, hält Wallner fest. Der Vorarlberger Wirtschaftsstandort sei eine riesen Erfolgsgeschichte. Jetzt müssten die Weichen richtig gestellt werden. “Der Bürokratieabbau gehört dazu.” Er kontert: Es habe wenige Initiativen aus der Opposition gegeben, Gesetze abzuschaffen oder Bürokratie zu entfernen. “Ich bin für eine ordentliche Entrümpelung des Raumplanungsgesetzes.” 

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Claudia Gamon schwenkte auch zum Thema Bildung.VN/Stiplovsek

Dafür ist auch Claudia Gamon. “Natürlich ist Entlastung ein Thema für Unternehmerinnen.” Sie fordert Gesetze mit Ablaufdatum oder dass mit einem neuen Gesetz ein altes abgeschafft werde. Gamon betont auch, dass es bei der Bildung hake, weil viele Schulabgänger nicht einmal sinnerfassend lesen könnten. “Und wenn die FPÖ über den Wirtschaftstandort spricht, werde ich wütend.” Der Vorarlberger Wohlstand komme auch von Europa. Wenn man das so aufs Spiel setze, wie die FPÖ. “Das schadet Europa.” Die Bürokratie sei hausgemacht. “Reden wir doch, wer das seit Jahrzehnten macht. Das ist die ÖVP.”

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Mario Leiter erinnerte an seine Zeit in der Stadtpolitik. VN/Stiplovsek

Mario Leiter erinnert sich an seinen Ärger mit der Raumordnung zu Zeiten seiner stadtpolitischen Arbeit. “Beim Baurecht Ändern bin ich dabei.” Zudem warnt der SPÖ-Chef, dass die Deindustrialisierung stattfinden. 

Zum Bürokratie erklärt Zadra, dass man die Photovoltaik freigestellt habe. Damit sei der Ausbau rasant nach oben gegangen. Ähnliche Chancen sieht auch für die Luftwärmepumpen. Auch diese müssten bewilligungsfrei gestellt werden. 

Drittens: Migration

Nächstes Thema: Was kann Vorarlberg im Bereich der Integration tun? Die Grünen fordern ein Integrationsjahr für Asylwerber und -berechtigte. “Deutsch muss ab dem ersten Tag gelernt werden”, sagt Zadra. Das Respektieren der hiesigen Gepflogenheiten sei ebenso zentral. Auch sinnstiftende Tätigkeiten. “Menschen müssen sich in der Gesellschaft einbringen können.” Hier gebe es noch zu wenig Angebot.

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Der Saal war gut gefüllt. VN/Stiplovsek

“Unser Zugang ist ein relativ klarer”, betont Bitschi. Wer sich integriere, sei herzlich willkommen. Allen anderen gehöre signalisiert, dass sie hier nicht gewollt seien. Er fordert Sanktionen für jene, die sich nicht anpassen. Der Leistungsgedanke gehöre in den Zuwanderungsbereich. “Eine Sprache versteht man auf dem ganzen Planeten. Die Sprache des Geldes.” Wenn etwa Eltern nicht bereit seinen, ihre Kindern beim Spracherwerb zu unterstützen, brauche Kürzungen. 

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Die Diskussion wurde live auf VOL.at und ORF Vorarlberg übertragen. VN/Stiplovsek

Wallner lobt die Integrationsbemühungen während der Flüchtlingswelle rund um 2015. Alle Gemeinden hätten an einem Strang gezogen. Es brauche eine klare Kontrolle über die Zuwanderung, in direkter Zusammenarbeit mit dem Bund. “Wer die Sprache nicht beherrscht, der kann sich nicht integrieren.” Gleiches gelte für jene, welche die Verfassungswerte nicht akzeptieren. Auch Wallner würde Sanktionen befürworten. 

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VN-Politikchef Michael Prock führte mit Angelika Simma-Wallinger (ORF) durch die Debatte.
VN/Stiplovsek

Jeder soll arbeiten gehen können, fordert Gamon. Asylwerber genauso. “Wer Steuern zahlt, trägt zur Gemeinschaft bei.” Die hiesigen Werte müssten gelebt und akzeptiert, ebenso Deutsch gelernt werden. “Wir sollten darüber reden, wie schaffen wir es, dass wir das erreichen?” Antwort: Bildung. Sie sieht die Schule als zentralen Ort für Integration. Auch zur Sichtbarkeit der Integrationswilligkeit.

Mario Leiter erinnert an seine Berufserfahrung: “Nach 40 Jahren Polizeidienst in Vorarlberg, bin ich der Einzige, der sich auch beruflich mit dem Thema Asyl und Integration befasst.” Wer gegen Gleichberechtigung, Menschenrechte oder Demokratie auftritt, der gehöre sanktioniert. Leiter fordert die Rückkehr zur Nachbarschaftshilfe. Für den Vorarlberg Kodex hätte er sich Sanktionen gewünscht. 

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1,5 Stunden dauerte die Diskussion. VN/Stiplovsek

Zadra erinnert daran, dass jene, die Sozialleistungen beziehen, schon sanktioniert werden. Beim Vorarlberg Kodex gehe es um ein Taschengeld von 1,3 Euro pro Tag. Dass es da einen großen Hebel gebe, bezweifelt er. Sollte jemand die Rechtsordnung nicht akzeptieren, erwarte er sich ohnehin, dass der Rechtsstaat durchgreifen.

Viertens: Optimistischer Ausblick

Warum wird 2025 ein gutes Jahr? Mario Leiter hofft darauf, dass die Antwort die Sozialdemokratie bringt und das Gemeinsame vor das Trennende gestellt werde. Claudia Gamon stimmt der Wunsch in der Bevölkerung nach Veränderung optimistisch. Christof Bitschi erinnert an den großen Ruck, der mit der Nationalratswahl durch die Gesellschaft ging. Er wolle keine Politik von oben herab. “2025 wird deswegen ein gutes Jahr, weil Vorarlberg es schafft, die großen Herausforderungen als Chance zu sehen”, sagt Daniel Zadra. Er erinnert an den Natur- und Klimaschutz, der unter anderen auch den Tourismus absichere. Mit dem Lünerseekraftwerk II werde die Energiewende vorangetrieben. Markus Wallner glaubt, dass die Teuerung nun in den Griff bekommen wurde. Auch der geringe Strompreis in Vorarlberg helfe der Bevölkerung direkt, ebenso weitere Zinssenkungsschritte. Man könne also mit einer gewissen Zuversicht ins Jahr 2025 schauen.”