Sicherheit vor Tempo
Der Gemeindebund verlangt die Einführung von E-Voting. Die Abwicklung von Wahlen wird angesichts der vielen Wahlkarten immer aufwändiger. Könnten die Bürgerinnen und Bürger ihre Entscheidung auf einer Plattform im Internet mittels ihrer Bürgerkarte vornehmen, würde den Gemeinden viel Arbeit erspart bleiben. Estland praktiziert dies seit vielen Jahren. In der Schweiz wurde das E-Voting bei den letzten Nationalratswahlen probeweise in kleinem Umfang erlaubt. In den Kantonen wurde die elektronische Stimmabgabe seit 20 Jahren in 300 Versuchen erfolgreich getestet.
„Warum sollte also, was im Ausland funktioniert, nicht auch bei uns möglich sein?“
Warum sollte also, was im Ausland funktioniert, nicht auch bei uns möglich sein? Der Umstand, dass weder in Estland noch in der Schweiz Sicherheitsprobleme bekannt wurden, besagt freilich noch nicht, dass keine aufgetreten sind. Die Schweizerische Post, die das angewandte System des elektronischen Wählens entwickelt hat, hat alle Hacker freundlich gebeten, in das System einzudringen, um Fehlerquellen auszuloten. Aber würden wirklich bösartige Hacker der Post helfen wollen?
In der demokratieerprobten Schweiz gilt daher trotz 300 erfolgreicher Versuche mit dem E-Voting der Grundsatz „Sicherheit vor Tempo“. In den offiziellen Mitteilungen der zuständigen Stellen wird r davon gesprochen, dass noch immer Verbesserungsbedarf besteht, um die Systeme sicherer zu machen. Aus diesem Grund wird E-Voting weiterhin nur in kleinerem Umfang versuchsweise zugelassen.
In Österreich hat sich auch VfGH-Präsident Grabenwarter unlängst skeptisch gezeigt. Dabei sind Sicherheitsaspekte (wie schütze ich das Wahlgeheimnis beim E-Voting und wie verhindere ich Manipulationen) nicht einmal das Heikelste. Entscheidend ist vielmehr, dass das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler in die Korrektheit der Abläufe erhalten bleibt. Was nützt das sicherste System, wenn die Bevölkerung kein Vertrauen hat und daher auch dem verlautbarten Wahlergebnis nicht traut?
Zwar kommt es auch bei herkömmlichen Wahlen zu Fehlern: Stimmen werden als ungültig gewertet, die in Wahrheit gültig sind, Wahlkarten können auf dem Postweg verloren gehen. All diese Fehler treten in einem ordentlich funktionierenden System jedoch nur in Einzelfällen auf und ändern wenig am Gesamtergebnis. Beim E-Voting kann ein einziges Sicherheitsproblem jedoch unabsehbare Folgen haben. Daher gilt auch bei uns: Sicherheit vor Tempo.
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus und Universitätsprofessor in Innsbruck.
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