Große Herausforderungen für die neue Landesregierung

Ob steigende Preise, Fachkräftemangel oder Energieautonomie – in den kommenden Jahren warten viele Aufgaben auf die Politik.
Schwarzach Auf die künftige Landesregierung warten große Herausforderungen. Teuerung, Energiekrise, Fachkräftemangel und die Folgen der Pandemie haben auch im Land ihre Spuren hinterlassen. Zahlreiche Expertinnen und Experten von Interessensvertretungen, Organisationen und aus der Praxis haben bei der VN-Wahlsendung die thematischen Pflöcke eingeschlagen. Ein Überblick, was in den kommenden fünf Jahren erledigt werden muss.

Verkehr: Weg vom Auto
Rad- und Fußverkehr haben in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen, sagte Verkehrsplaner David Moosbrugger von Rosinak & Partner. Die Frage, wie man Menschen weiter vom Auto wegbringt, bleibt aber. “Eine aktuelle Umfrage zeigt, dass ein Drittel der Autowege in einer durchschnittlichen Fahrraddistanz liegen. Der Radverkehr hat also noch viel Potenzial.” Es gelte hier Lücken zu schließen. “In den Ortszentren ist oft der Wunsch nach Verkehrsberuhigung, damit das miteinander besser funktioniert”, sagte Moosbrugger. Der öffentliche Verkehr sei zwar besser ausgebaut als in anderen Bundesländern. Hier brauche es weiter “willige Politik und budgetäre Mittel”. Die Idee einer Straßenbahn zwischen Dornbirn und Lustenau ist nicht neu und angesichts des Klimawandels sinnvoll, erneut zu prüfen.

Wohnen: Preise runter
Vorarlberg ist laut Daten der Statistik Austria das teuerste Land, was das Wohnen anbelangt, sagte Wolfgang Amann vom Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen. Bauen ist zudem teurer, günstiger Beton aus Tirol und Deutschland sei schwierig anzuliefern. Die Grundpreise sind in Vorarlberg stärker gestiegen als die Baupreise. Der Bodenfonds kann in dieser Hinsicht sehr große Wirkung entfalten. Bei der Miete gelte es, den sozialen Wohnbau auszubauen. “Wir haben in Österreich ein außerordentlich erfolgreiches System des sozialen Wohnbauens. Es ist ein Sektor, der aufgrund der sehr eingehenden Kontrolle weitgehend missbrauchsresistent ist.” Die Preise liegen dort meist 30 Prozent unter dem Marktniveau und haben das Potenzial, auch die Mieten am privaten Markt zu dämpfen. Die knapp 2000 Wohnungen, die in der vergangenen Legislaturperiode nicht verwirklicht worden sind, bedeutet ganz klar eine Verschlechterung der Wohnsituation in Vorarlberg, so Amann.

Schnellere Hilfe für Kinder
Kinder und Jugendanwalt Christian Netzer berichtete, dass die psychische Gesundheit von Jugendlichen seit der Pandemie immer mehr leidet. Eine große Herausforderung der nächsten Jahre wird digitales Mobbing sein. Es gebe Schutz vor Alkohol, Nikotin, im Kino wird das Alter kontrolliert, gibt Netzer zu bedenken: “Aber in der digitalen Welt fallen diese Alterskontrollen weg. Cybermobbing, Gewalt, Pornographie sind Tür und Tor geöffnet.” Nicht nur auf Landesebene, sondern europaweit müssen hier Lösungen gefunden werden. Mit dem Neubau der Kinderpsychiatrie seien erste Weichen gestellt, aber es brauche auch Verbesserungen im ambulanten Bereich. Hilfe müsse rascher zur Verfügung stehen. Aktuell gebe es Wartezeiten von mehreren Monaten.

Lehrermangel angehen
Elisabeth Haas ist die neue Rektorin der Pädagogischen Hochschule. Sie identifiziert den Lehrermangel als eine der großen Baustellen im Bildungsbereich. Ein Hebel sind Quereinsteiger. Eine wesentliche Anforderung ist nun, diese Personen beim Einstieg zu begleiten. Bei der Gemeinsamen Schule seien noch einige Fragen im Hintergrund nicht beantwortet. Aktuell haben 66 Studierende im Lehramt Primarstufe angefangen, die den Bedarf abdecken können. Im Lehramt Sekundarstufe ist das nicht so.

Freie Kulturszene wertschätzen
“Wir müssen anfangen, über Investition zu sprechen und nicht immer über Förderung und Unterstützung”, sagt Mirjam Steinbock, Geschäftsführerin der IG Kultur. Ein wichtiger Punkt sei die soziale Absicherung, das hat gerade die Pandemie gezeigt. Hubert Dragaschnig, Leiter des Theaters Kosmos, skizzierte: Freie Gruppen machen zwischen 500 und 600 Veranstaltungen, haben circa 40.000 bis 50.000 Zuschauer pro Jahr und 220 Angestellte. Der Anteil des Landes Vorarlberg am Budget liegt bei o,o5 Prozent. Die Kulturschaffenden streben nach einer Verdoppelung auf 0,1 Prozent.

Sozialbereich: Personalmangel angehen
Caritas Vorarlberg-Direktor Walter Schmolly fasst die Herausforderungen für die neue Landesregierung zusammen: Eine Gruppe der Bevölkerung leidet noch unter den Auswirkungen der Teuerung. Im Sozialbereich wird es mehr Mittel benötigen: Allein im Pflegebereich stehen aufgrund des Personalmangels 250 Betten leer. Die sozial-räumlichen Strukturen in den Ortschaften, Dörfern und Städten müssen gefördert werden. Zudem wird laut Schmolly die “Begleitung von Integrationswegen” weiterhin wichtig bleiben.

Arbeiten lukrativer machen
“Wie gelingt es, der immer älter werdenden Gesellschaftsschicht der Pensionisten, den wohlverdienten Anteil zu geben“, nennt WKV-Präsident Wilfried Hopfner eine der größten Herausforderungen. Steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Rahmenbedingungen müssen geschaffen werden, damit immer mehr Menschen bereit sind, aktiv im Arbeitsleben zu stehen. “Wir haben nicht nur eines der schönsten, sondern auch der teuersten Leben in Vorarlberg”, sagt Reinhard Stemmer vom ÖGB. Wichtig sei es, an der Teuerung und an Wohnkosten zu schrauben, damit das Bundesland auch wieder attraktiv für Menschen aus anderen Bundesländern wird.

Klima und Energieautonomie
Bis 2040 will Vorarlberg die Energieautonomie werden. Es gibt einen einstimmigen Landtagsbeschluss mit Zielen bis 2030. Bis dahin soll so viel Strom aus eigenen Quellen erzeugen, wie verbraucht werden. 50 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs soll selbst gedeckt werden. Der CO2-Ausstoß soll im Vergleich mit 2005 halbiert werden. Martin Reis, Geschäftsführer des Energieinstituts, nennt die dringendsten Aufgaben: Bestandsgebäude sanieren, damit gerade im Winter wenig Energie verbraucht wird. Und: “Wir müssen an der Mobilitätswende dran bleiben.” Zudem muss Vorarlberg raus aus Öl und Gas.