Rosenkranz-Wahl: “FPÖ fehlt es an nötiger Sensibilität”

Politik / 29.10.2024 • 16:09 Uhr
ABD0080_20241025 – WIEN – …STERREICH: NationalratsprŠsident Walter Rosenkranz am Freitag, 25. Oktober 2024, im Rahmen eines Interviews mit der APA-Austria Presse Agentur im Parlament in Wien. ++ ACHTUNG SPERRFRIST FREITAG, 25.10. 2024, 18:00 UHR ++. – FOTO: APA/GEORG HOCHMUTH – ++ ACHTUNG SPERRFRIST FREITAG, 25.10. 2024, 18:00 UHR ++
Walter Rosenkranz empfängt nach seiner umstrittenen Wahl zum Ersten Nationalratspräsidenten den ungarischen Ministerpräsidenten Orbán im Parlament. APA/Hochmuth

Walter Rosenkranz’ erstes Amtstreffen als Nationalratspräsident findet mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán statt. Das sorgt erneut für Kritik, nachdem sich jüdische Verbände und Organisationen bereits gegen seine Wahl ausgesprochen haben.

Wien Walter Rosenkranz wurde am Donnerstag als erster Freiheitlicher zum Nationalratspräsidenten gewählt. Er war in seiner ersten Rede bemüht, die Wogen zu glätten. Unter anderem hatten in der Vergangenheit seine lobenden Worte zu einem NS-Generalstaatsanwalt oder seine Mitgliedschaft bei einer schlagenden Burschenschaft für Kritik gesorgt. Seine erste Einladung in seiner neuen Funktion sorgt hingegen für weiteren Zündstoff: Am Donnerstag empfängt er Ungarns rechtsnationalen Ministerpräsidenten Viktor Orbán im Parlament zu einem Arbeitsgespräch.

Orbán trifft auch Kickl

Der Erste Nationalratspräsident gilt als zweithöchstes Amt im Staat nach dem Bundespräsidenten und kann wie das gesamte Nationalratspräsidium nicht abgewählt werden. Das soll die Unabhängigkeit bei Entscheidungen und in der Amtsführung sichern. Dass das erste Treffen mit einem Staatschef ausgerechnet mit Orbán stattfindet, gibt Kritikern Anlass, an seinem neutralen Amtsverständnis erneut zu zweifeln. Die Visite sei schon vor seinem Amtsantritt als Nationalratspräsident ausgemacht gewesen, betont Rosenkranz. Auch FPÖ-Chef Herbert Kickl wird Orbán bei dessen Wienbesuch treffen. Die FPÖ sitzt gemeinsam mit Orbáns rechtsnationaler Partei Fidesz in der drittgrößten EU-Fraktion „Patrioten für Europa“.

Orbán befindet sich offiziell wegen seiner Teilnahme an einer Podiumsdiskussion in Wien. Dort spricht er unter anderem mit dem deutschen Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder über den Krieg Russlands gegen die Ukraine unter dem Titel „Frieden in Europa“.

ABD0046_20240630 – WIEN – …STERREICH: (v.l.) MinisterprŠsident von Ungarn Viktor Orban und Bundesparteiobmann Herbert Kickl (FP…) am Sonntag, 30. Juni 2024 anl. eines FP…-Medientermins ,,Patriotisches Manifest” in Wien. – FOTO: APA/TOBIAS STEINMAURER
Ministerpräsident von Ungarn Viktor Orban und FPÖ-Bundesparteiobmann Herbert Kickl zeigten sich schon im Juni gemeinsam bei einem Medientermin mit dem Titel “Patriotisches Manifest”: APA/TOBIAS STEINMAURER

Warnung von Israelitischer Kultusgemeinde

Rosenkranz gehört seit Jahrzehnten der Burschenschaft ‚Libertas‘ an, die bereits 1878 den ‚Arierparagraphen‘ eingeführt hat. Eine Mensur blieb ihm aus seiner aktiven Zeit auf einer Wange zurück. Als Nationalratspräsident steht Rosenkranz nun dem Nationalfonds für die Opfer des Nationalsozialismus vor. Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG), Oskar Deutsch, fragte daher vor der Wahl die 183 Abgeordneten in einem offenen Brief: „Wird ein Mitglied deutschnationaler Verbindungen dieser Verantwortung gerecht? Jemand, der Nazi-Verbrecher als burschenschaftliche ‘Leistungsträger’ verharmlost und geradezu huldigt?“ Gemeint ist damit NS-Generalstaatsanwalt Johann Stich, der 44 Widerstandskämpfer hinrichten ließ.

Auch Willi Mernyi, Vorsitzender des Mauthausen Komitee Österreich, fand scharfe Worte: „Das ist eine schamlose Verhöhnung aller NS-Opfer! Wer es ernst meint mit dem ‚Nie wieder‘, darf eine Person mit dieser Geisteshaltung nicht zum Nationalratspräsidenten wählen.“ Die Grünen schlossen sich dem an, warnten vor einem „Affront für alle Hinterbliebenen“.

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Hanno Loewy ist Direktor des Jüdischen Museums Hohenems. Rosenkranz’ Nominierung zeige, dass es ein Problem in der FPÖ geben. JUEN SIGRID

„Vorerst“ bei Gedenkveranstaltungen zur Seite treten

Am Wochenende betonte Rosenkranz im ZiB2-Interview, dass er sich bei künftigen Gedenkveranstaltungen im Parlament vorstellen könne, zur Seite zu treten, sollte seine Anwesenheit „nicht gewünscht“ sein – zumindest vorerst. “Rosenkranz räumt mit diesem Schritt selbst ein, dass er für einen wichtigen Teil seiner Rolle nicht die richtige Besetzung dieses Postens ist”, sagt Hanno Loewy, Direktor des Jüdischen Museums Hohenems den VN.

Usancen hätten schon ihren Sinn, sagt Loewy bezüglich Rosenkranz’ Wahl auch durch Abgeordnete anderer Parteien. Der Nationalrat habe entschieden, diesen Vorschlag der FPÖ zu akzeptieren, aber so betont Loewy: “Die FPÖ war es, die entschieden hat, Rosenkranz für diesen Posten zu nominieren.” An dieser Wahl zeige sich erneut, dass es der FPÖ an der „nötigen Sensibilität“ fehlt, so Loewy: “Die FPÖ hat es nicht geschafft, jemand ins Rennen zu schicken, der bei diesem sensiblen Thema nicht gleich komplett deplatziert ist. Das zeigt, dass es halt ein Problem gibt in dieser Partei.”

Gitarrist und FPÖ-Parteisoldat

Rosenkranz wurde in Krems an der Donau in Niederösterreich geboren. 1988 beginnt dort seine politische Karriere. Mit seinem Vorgänger, Wolfgang Sobotka, verbindet ihn nicht nur, dass sie umstritten sind. Rosenkranz große Leidenschaft ist die Musik. Der Gitarrist absolvierte eine Ausbildung zum Musikschullehrer und studierte das Konzertfach Gitarre an der heutigen Universität für Musik und Darstellende Kunst. Zudem absolvierte er Rechtswissenschaften. 2008 zog er in den Nationalrat ein. Er galt als Vertrauter von Heinz-Christian Strache. Nach Bildung der türkis-blauen Regierung 2017 wurde er Klubobmann der FPÖ. 2019 trat er sein Amt als Volksanwalt an. Doch auch an anderer Stelle ging Rosenkranz, der sich selbst als “Parteisoldat” bezeichnet hat, bereits um ein Präsidentenamt für die FPÖ ins Rennen: Mit 17,7 Prozent wurde er bei der Bundespräsidentenwahl 2022 Zweiter. Im Wahlkampf versprach er unter anderem, dass unter seiner Präsidentschaft auf der Hofburg keine Regenbogenfahne wehen werde. Zudem meinte er, dass er sich als Bundespräsident vorstellen könnte, die Bundesregierung zu entlassen, falls sie an den Russlandsanktionen festhalte. Am Donnerstag wurde Rosenkranz mit 61,7 Prozent der Stimmen bei der konstituierenden Sitzung des Nationalrats zum Nationalratspräsidenten gewählt.