Johannes Huber

Kommentar

Johannes Huber

Im Zeichen von Krisen

Politik / 09.11.2024 • 07:05 Uhr

Nach Oberösterreich, Niederösterreich und Salzburg sind ÖVP und FPÖ jetzt auch in Vorarlberg eine Regierungszusammenarbeit eingegangen. Legt man die Programme nebeneinander, auf die sich Vertreter der beiden Parteien jeweils verständigt haben, gibt es markante Unterschiede. In Niederösterreich hat Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) das Inhaltliche Udo Landbauer (FPÖ) überlassen. Ergebnis: Das Land hält es für wichtig, keine Informationsmaßnahmen mehr zur Coronaimpfung durchzuführen; und zu schauen, dass es „möglichst unattraktiv“ für wirtschaftlich motivierte Zuwanderer wird. Es liest sich wie ein Wahlprogramm, in dem kein Wert darauf gelegt wird, vielschichtigen Herausforderungen gerecht zu werden, sondern einschlägige Signale auszusenden.

“Von der niederösterreichischen Schlichtheit kann keine Rede sein. Mit Ambitionen man es in Vorarlberg jedoch nicht übertrieben.”

In Vorarlberg ist das anders. Natürlich merkt man, dass nicht mehr Grüne, sondern Freiheitliche von Christof Bitschi Juniorpartner der ÖVP von Markus Wallner sind. Im Umgang mit Verkehrspolitik und Kinderbetreuung etwa. Von der niederösterreichischen Schlichtheit kann jedoch keine Rede sein. Hier herrscht eher ein alemannisch-pragmatischer Zugang vor. Auch zu den erwähnten Themen. So wird die Notwendigkeit betont, Durchimpfungsraten in der Bevölkerung zu erhöhen. Man unterstützt daher eine Stärkung des öffentlichen Impfprogramms, beginnend bei Influenza.

Oder Zuwanderung: „Menschen, die vor Krieg und persönlicher Verfolgung fliehen müssen, erhalten Schutz, Unterstützung und gegebenenfalls Asyl.“ Sozial- und Bildungssysteme dürften jedoch nicht überlastet werden. Zweitens: Davon zu unterscheiden sei etwa qualifizierte Zuwanderung, die es im Sinne des Wirtschaftsstandortes brauche und um die daher geworben werden soll.

Da wird nicht etwa gesagt „Grenzen schließen“ oder gar keine Asylanträge mehr annehmen, wie es FPÖ-Chef Herbert Kickl im Nationalratswahlkampf getan hat („Wir würden es einfach machen“), da wird differenziert. Das ist ein wichtiger Punkt.

Darüber hinaus hat man es mit Ambitionen jedoch nicht übertrieben. Beim Thema Wohnen beispielsweise liegt der Fokus auf ein „Weiter wie bisher“, wenn auch aus Überzeugung, dass man eh gut unterwegs sei. These: Da hat eine gewisse Krisenmüdigkeit zugeschlagen. Mehr „Weiter wie bisher“ als sich größere Ziele setzen.

Auf Bundesebene werden sich die Regierungsverhandler derlei nicht leisten können. Ob Karl Nehammer (ÖVP) und Andreas Babler (SPÖ), die es bei schleppenden Sondierungen noch nicht einmal geschafft haben, zu klären, ob sie richtig verhandeln sollen, ist fraglich. Relevant ist jedoch nicht, was sie können, sondern was sie müss(t)en: Das Budget ist zu sanieren, es ist unter anderem eine Pensionsreform durchzuführen. Aufgrund der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten sind sicherheits- und verteidigungspolitische Weichenstellungen erst recht unumgänglich geworden; zumal mit der Neutralität null Schutzfunktion mehr einhergeht, sollten sich die USA aus Europa zurückziehen und russische Expansionsgelüste anhalten. Derlei ist hier trotz Krisenmüdigkeit anzugehen. Auch wenn’s wehtut.

Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.