Rainer Keckeis

Kommentar

Rainer Keckeis

Herbeibeten

Politik / 18.11.2024 • 07:05 Uhr

Sowohl die deutsche Industrie als auch die Umwelt leiden massiv unter den Folgen der Energiewende. Die Industrie ob der hohen Kosten, die der Umstieg auf Photovoltaik und Windenergie mit sich bringen und die Umwelt ob der hohen CO2-Emissionen, der immer noch auf Vollauslastung laufenden Kohlekraftwerke. Der Spruch „die Sonne schickt keine Rechnung“ klingt zwar gut und stimmt auch. Nur wird darüber die Tatsache vergessen, dass der Ausbau von Wind und Solarenergie enorme Investitionen in die Stromnetze notwendig macht. Deutsche Energieexperten diskutieren deshalb bereits die Begrenzung des weiteren Ausbaus, weil die Netzkosten die Haushalte und gewerblichen Abnehmer unverhältnismäßig hoch belasten. Allein die Verdoppelung der Auftragseingänge einer Siemenstochter des Netzbereichs auf über 5,5 Milliarden Euro in nur einem Jahr lässt erahnen, welche Kosten den Stromkonsumenten in den nächsten Jahren drohen.

„Die aktuellen Schwierigkeiten in der für Österreich so wichtigen Autozulieferindustrie sind lediglich ein Vorgeschmack auf weitere Herausforderungen.“

Damit nicht genug: Deutschland muss die notwendige Ausgleichsenergie bei Schlechtwetter, im Winter oder bei Windstille sehr teuer ankaufen. Der Stromüberschuss bei optimalem Wetter kann aber nur zu Tiefstpreisen abgesetzt werden kann. Unterm Strich also eine fatale Situation und mit ein Grund, weshalb die deutsche Industrie von der weltweiten Erholung der Produktion am wenigsten profitiert. Wer allerdings glaubt, diese Entwicklung in unserem Nachbarland gehe ohne Folgen an uns vorbei, der irrt. Wir sind zu stark von der deutschen Industrie abhängig und tragen die dortigen Entwicklungen vollumfänglich mit. Die aktuellen Schwierigkeiten in der für Österreich so wichtigen Autozulieferindustrie sind lediglich ein Vorgeschmack auf weitere Herausforderungen.

Während in Deutschland immer noch die segensreichen Auswirkungen der Energiewende förmlich herbeigebetet werden, setzen USA, China und Indien längst auf eine neue Ära der Atomkraft. Mit neuen Atommeilern soll der CO2-Ausstoss des Energiesektors reduziert und die Industrie mit niedrigen Strompreisen versorgt werden. Nicht zuletzt die riesige Energiemengen verschlingenden Tech-Konzerne mit ihren Datenzentren für künstliche Intelligenz bedingen diesen Richtungsschwenk in der Energiepolitik. Detail am Rande: die Entscheidung zu mehr Nuklearenergie hat nicht Donald Trump, sondern bereits die US-Regierung von Joe Biden auf die Schiene gebracht.

Die Antwort eines kleinen, im globalen Spiel unbedeutenden Landes wie Österreich kann nur lauten: Konzentration auf die eigenen Stärken. Im Energiebereich auf die Wasserkraft und insbesondere auf Pumpspeicherwerke. Und im produzierenden Bereich auf qualitativ hochwertige Produkte, deren Herstellung fachliche Kompetenz erfordert. Zumal die Alpenrepublik in Sachen Facharbeiter noch einen kleinen, aber gewichtigen Vorteil gegenüber anderen Ländern besitzt. Diesen gilt es, mit besseren Ausbildungsmöglichkeiten zu stärken und auszubauen.

Rainer Keckeis ist ehemaliger AK-Direktor Vorarlberg und früherer Feldkircher VP-Stadtrat.