Wolfgang Burtscher

Kommentar

Wolfgang Burtscher

Wo bleibt der Wumms?

Politik / 24.11.2024 • 16:35 Uhr

Nur ein fauler Kompromiss wird nicht genügen. Die Dreier-Koalition muss Leuchtturmprojekte vorlegen, will sie nicht scheitern. Einen „Wumms“, wie es der deutsche Kanzler Scholz einmal nannte. Den Wumms braucht es vorab beim Budget. Angesichts der Versprechen im Wahlkampf, müssen alle mehr als nur über den Schatten springen. Laut EU-Fiskalregeln sind zu erfüllen: Staatsschuldenquote in Richtung 60 Prozent der Wirtschaftsleistung, Defizit unter drei Prozent des BIP, Einsparung von jährlich mindestens 2,6 Milliarden. Wie man das schaffen könnte, lohnt ein Blick nach Schweden. Dort hat man in den 1990er Jahren strenge Fiskalregeln eingeführt, etwa eine gesetzlich verankerte Schuldenbremse. Es werden die jährlichen Ausgaben per Gesetz begrenzt. Das stellt sicher, dass der Staatshaushalt langfristig ausgeglichen bleibt. Jetzt ist die Staatsverschuldung eine der niedrigsten in Europa. In Schweden gilt auch eine Ausgabenbremse für die Pensionen, die an das Wirtschaftswachstum und die Bevölkerungsentwicklung angepasst sind. Dieses flexible Rentensystem reduziert die Belastung des Haushalts auf viele Jahre deutlich.

In der Dreier-Koalition sind für eine Reform im Moment nur die Neos bereit. Fakt ist, dass zwischen 2022 und 2026 140 Milliarden Euro aus dem Bundesbudget für die Pensionen gezahlt werden müssen: Bei jeder Reform ist ein massiver Aufschrei der Betroffenen in Österreich sicher. Als die Chefin der Alterssicherungskommission, Christine Mayrhuber, eine Anhebung des Pensionsantrittsalters auf 67 Jahre gefordert hat, war der Landespräsident der SPÖ-Pensionisten, Manfred Lackner, sofort mit einem Njet zur Stelle. Der schwarze Verband beäugt jede Änderung ebenfalls kritisch. Eigentlich müssten die Jungen, deren Pensionen gefährdet sind, aufschreien. Laut Demographie sinkt die Zahl der Erwerbstätigen bis 2050 um 300.000, jene der Pensionisten steigt um eine Million (Quelle: Agenda Austria). Wer zahlt dann die Pensionen?
Jüngst hat Rechnungshofpräsident Margit Kraker eine Null-Lohnrunde für Beamte gefordert (mit Ausnahmen für Pflege und Exekutive), denn Beamte haben einen sicheren Job und eine bessere Pension. Brächte bis zu 700 Millionen. Spontaner Aufschrei der ÖVP durch Clubobmann Wöginger, ausgerechnet ein Verhandler der Dreier-Koalition. Sparpotentiale gäbe es genug. Klimabonus (2023 1,7 Milliarden Kosten): Warum bekommen den auch Gutsituierte, die womöglich eine Wärmepumpe und/oder ein E-Auto haben? Also den als Ausgleich für die CO2-Kosten gedachten Bonus nicht brauchen. Handwerker-Bonus und andere Subventionen: Noch zeitgemäß? Jedenfalls haben die Schweden die Staatsverschuldung auf 40 Prozent des BIP gesenkt, wir sind bereits bei 80 Prozent.

Weniger Differenzen als erwartet dürfte es beim Kapitel „Migration und Asyl“ geben, einem der wahlentscheidenden Themen, quer durch Europa. Auch hier lohnt ein Blick in den Norden, nach Dänemark. Dort hat man frühzeitig erkannt, dass die Flüchtlingsströme die Gesellschaft überfordern. Unter Federführung der Sozialdemokraten (!) wurden strenge Asylgesetze eingeführt. Asylwerber müssen in speziellen Lagern auf die Entscheidung ihres Verfahrens warten, Familiennachzug und Geldleistungen wurden erheblich begrenzt, Personen ohne Bleibrecht werden konsequent abgeschoben. Gleichzeitig werden die soziale Integration gefördert und Parallelgesellschaften vermieden. Resultat: Überschaubare Ergebnisse der Rechtspopulisten. Bei Restriktionen wird möglicherweise der linke Flügel der SPÖ murren. Aber auch hier muss Nehammers, aber auch Bablers Mantra gelten: Kein Weiter so wie bisher. Sonst wird Kickl irgendwann doch noch Kanzler.

Wolfgang Burtscher, Journalist und ehemaliger ORF-Landes­direktor, lebt in Feldkirch.