Kritik an Mercosur: “Riesige Agrarbetriebe gefährden heimische Landwirte”

Die Fronten zum Mercosur-Abkommen sind verhärtet: Während Wirtschaftsvertreter Chancen sehen, warnen Stimmen aus der Landwirtschaft vor negativen Folgen für Umwelt und Vorarlberger Bauern.
Schwarzach, Brüssel Bald könnte die größte Freihandelszone der Welt geschaffen werden. Die Verhandlungen rund um das Mercosur-Abkommen mit Südamerika könnten bei dem EU-Mercosur-Gipfel in Montevideo am 6. Dezember abgeschlossen werden. Während landwirtschaftliche Vertreter und auch Vorarlberger Landwirtschaftssprecherinnen und -sprecher eindringlich vor Billigkonkurrenz und Qualitätsverlusten warnen, sehen Wirtschaftsvertreter eine große Chance, um Donald Trump und China etwas entgegenzuhalten.
Kocher: Voraussetzung ist Unterstützung der Bauern
Falls der Deal im Dezember zustande kommt, würde es bis zum Frühjahr dauern, bis eine endgültige Entscheidung im EU-Rat fällt. Österreich hat eine klare Position. Es gebe einen “bindenden Parlamentsbeschluss” gegen das Abkommen, betont Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP). Voraussetzungen für eine nochmalige Diskussion in Österreich seien Fortschritte beim Schutz des Regenwaldes und Unterstützung für die Landwirte.

“Noch mehr unnötige, über tausende Kilometer klimaschädlich daher gekarrte Agrarimporte, die zu schlechteren Bedingungen erzeugt worden sind und unsere Märkte schädigen, lehnen wir entschieden ab.”
Josef Moosbrugger, Landwirtschaftspräsident
„Das Abkommen konterkariert unsere Bestrebungen zur Absicherung unserer regionalen Familienlandwirtschaft, Eigenversorgung sowie von Klima- und Umweltschutz. Es wird daher keinesfalls von uns unterstützt”, kritisiert Landwirtschaftskammerpräsident (LK) Josef Moosbrugger. Es könne nicht sein, dass EU-Institutionen den bäuerlichen Familienbetrieben ständig noch höhere Produktionsstandards vorschreiben, gleichzeitig aber die Grenzen für Importe ohne vergleichbare Vorgaben öffnen. “Noch mehr unnötige, über tausende Kilometer klimaschädlich daher gekarrte Agrarimporte, die zu schlechteren Bedingungen erzeugt worden sind und unsere Märkte schädigen, lehnen wir entschieden ab”, sagt der LK-Präsident den VN.
Eine gegensätzliche Position vertritt die Industriellenvereinigung (IV). Das Abkommen würde 91 Prozent der Zölle auf europäische Exporte in die Region abbauen und könnte laut EU-Kommission jährliche Einsparungen von vier Milliarden Euro für EU-Unternehmen bringen. “Für Österreich bedeute dies Potenziale für Wachstum und Beschäftigung, denn bereits heute sichern die Wirtschaftsbeziehungen mit Mercosur über 32.000 Arbeitsplätze hierzulande”, betont die IV in einer Aussendung. “Um im geoökonomischen Kräftemessen mit den von Donald Trump geführten USA und China zu bestehen, muss Europa jetzt alles daransetzen, mit Mercosur zu einem erfolgreichen Vertragsabschluss zu kommen”, bekräftigte der deutsche Handelsexperte Rolf Langhammer vom Kiel Institut für Weltwirtschaft am Montag die Position der IV.

Vorarlberger Landwirtschaft bedroht
Der EU-Bauern- und Genossenschaftsverband (COPA/COGECA) warnt hingegen in einem offenen Brief an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. “Die Attraktivität unseres Sektors für neue Generationen und das Modell der Familienbetriebe stehen auf dem Spiel.” Mehr als 50 Mitgliedsorganisationen aus 27 EU-Mitgliedsstaaten haben das Schreiben unterzeichnet.
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Auch in Vorarlberg, das von landwirtschaftlichen Familienbetrieben geprägt ist, sind die Stimmen überwiegend kritisch. “Das Abkommen fördert den Handel mit umwelt- und gesundheitsschädlichen Produkten wie Fleisch, Zucker, Pestiziden und Verbrenner-Fahrzeugen. Profiteure sind vor allem die europäische Automobil- und Chemieindustrie sowie die industrielle Großlandwirtschaft in Südamerika”, sagt die Grüne Landwirtschaftssprecherin Christine Bösch-Vetter. Das Freihandelsabkommen werde den Wettbewerbsdruck auf die heimische Landwirtschaft erheblich verstärken. “Günstige Importe wie Rindfleisch und Hühner gefährden unsere regionalen Betriebe und könnten nach hohen Standards produzierte Lebensmittel vom Markt verdrängen.” Ursprungskennzeichnungen sind laut Bösch-Vetter entscheidend.

Ihr SPÖ-Pendant Reinhold Einwallner sieht das ähnlich: “Vorarlberg hat eine kleinstrukturierte Landwirtschaft mit sehr hoher Qualität und hoher Bio-Quote, auch die aktive Bewirtschaftung der Alpen ist eine Vorarlberger Besonderheit.” Es gelte sicherzustellen, dass “Qualität und somit die Lebensgrundlage für die landwirtschaftlichen Betriebe im Land nicht unter die Räder kommt, weil große Handelsabkommen in der Regel wenig Rücksicht nehmen auf regionale Besonderheiten”. Es dürfe zudem zu keiner Nivellierung der Lebensmittelqualität und Lebensmittelsicherheit nach unten kommen. Auch er plädiert für eine klare Kennzeichnung.

FPÖ-Landwirtschaftssprecher Robert Blum warnt, dass damit der Markt “für riesige Agrarbetriebe mit deutlich geringeren Anforderungen als in Europa” geöffnet werde. “Gerade für die kleinteilige heimische Landwirtschaft in unserem Land, die auf Regionalität und Qualität setzt, hätte das verheerende Auswirkungen”, sagt er. Es müsse unbedingt sichergestellt werden, dass Produkte, die etwa mit illegaler Entwaldung oder hohem Pestizideinsatz verbunden sind, keinen Zugang zum EU-Markt haben. Auch er fordert die Kennzeichnung.
