2030 erreicht Alterung den Höhepunkt

Politik / 03.12.2024 • 07:07 Uhr
2030 erreicht Alterung den Höhepunkt
Mit der Alterung gehen große Herausforderungen einher. Etwa in der Pflege: „Wer jetzt nicht handelt, ist wirklich verantwortungslos”, sagt Bernd Marin Richtung Regierungsverhandler. Foto: APA

Sozialforscher Marin sieht akuten Handlungsbedarf bei Pensionen und Pflege.

SCHWARZACH. Vorarlberg wächst und wächst und steuert auf eine Einwohnerzahl von über 450.000 zur Mitte dieses Jahrhunderts zu. Ein Blick auf Detaildaten in der jüngsten Prognose der Statistik Austria zeigt, dass vor allem die Zahl der ab 65-Jährigen zunimmt. Und dass sie das derzeit besonders stark tut: „Im nächsten Jahrzehnt erreicht die Alterung ihren Höhepunkt“, bestätigt der Sozialforscher Bernd Marin (76).

Aller Voraussicht nach wird die Zahl der ab 65-Jährigen bereits 2030 mit rund 3000 am stärksten steigen und zugleich die Zahl der 20- bis 64-Jährigen mit knapp 1200 am stärksten sinken. In weiterer Folge werden die Veränderungen zurückgehen. Die Erklärung für die Spitze ist einfach: Die „Babyboomer-Generation“ kommt ins Pensionsalter. Damit sind Vertreter geburtenstarker Jahrgänge der 1950er und 1960er Jahre gemeint.

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Wenn man sich anschaut, um wie viel mehr oder weniger Menschen nach Alter 2030 im Land leben werden als heute, dokumentiert das überhaupt ein Stück Zeitgeschichte. So wird es weniger Drei- bis Neunjährige geben. Das ist eine absehbare Folge dessen, dass es derzeit krisenbedingt eine Geburtenflaute gibt. Es wird auch weniger Menschen in den 50ern geben. Hier kommt ein Geburtenrückgang in den 1970er Jahren zum Ausdruck. Darüber hinaus kommt es im Zusammenhang mit den erwähnten „Babyboomern“ zu einem starken Wachstum. Mit einer Ausnahme: Es wird weniger 84-, 85-Jährige geben. Das ist auf den Geburteneinbruch zum Ende des Zweiten Weltkriegs zurückzuführen.

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Die Alterung läuft österreichweit, nach Bundesländern aber sehr unterschiedlich. Darauf weist Marin hin: Während in Vorarlberg 2050 ein Viertel der Bevölkerung über 65 sein wird, werde es in Wien ein Fünftel und im Burgenland ein Drittel sein. „Das Burgenland ist bereits so alt gewesen wie Wien dann sein wird“, so der Sozialforscher.

Mit der unmittelbaren, massiven Veränderung gehen große Herausforderungen einher. In Bezug auf Pensionen sieht Marin die Regierungsverhandler gefordert: „Wer jetzt nicht handelt, ist wirklich verantwortungslos. Da gibt es keine Ausrede. Die Lebenserwartung steigt von Jahr zu Jahr um 70 bis 110 Tage. Da ist es an der Zeit, ein Signal zu setzen und das gesetzliche Pensionsalter um einen Monat pro Jahr anzuheben. Das wäre eine homöopathische, zumutbare Dosis. Sie wäre wichtig, um ein Tabu zu brechen. Sonst wird man das Pensionsalter irgendwann ohne nötige Vorwarnzeit um ein Jahr raufsetzen müssen. Das faktische Pensionsalter steigt zwar, aber weniger als die Lebenserwartung und daher nicht stark genug.“ Eine Folge davon sieht man im Budget: Bei steigender Tendenz macht der Anteil der Bundesausgaben für Pensionen bereits ein Viertel aus.

VN-Gast Bernd Marin im Grauen Salon
„Bei der Pflege geht es nicht nur um Geld. Geld pflegt nicht. Es geht auch um den Pflegekräftemangel”, erklärt der Sozialforscher Bernd Marin. Foto: VN/Steurer

Als sogar „weit größeres Thema“ bezeichnet Marin die Pflege: „Hier geht es nicht nur um Geld. Geld pflegt nicht. Es geht auch um den Pflegekräftemangel, der durch eine illiberale Zuwanderungspolitik verschärft wird. Die 24-Stunden-Betreuung ist in einer tiefen Krise.“ Man sei bisher nicht in der Lage gewesen, eine ausreichende Pflegedienstleistungsinfrastruktur aufzubauen, so Marin: „Andere Länder, wie Dänemark, haben längst aufgehört, weiter Heime zu bauen. Sie setzen auf mobile und ambulante Hilfen, auf Tageszentren und Heimhilfen.“