Johannes Huber

Kommentar

Johannes Huber

Bürgermeister

Politik / 21.12.2024 • 07:05 Uhr

Simon Tschann, Bürgermeister von Bludenz, ist wegen Amtsmissbrauch und falscher Beurkundung nicht rechtskräftig zu elf Monaten Haft auf Bewährung und einer Geldstrafe von 51.000 Euro verurteilt worden. Für eine Wohnanlage in der Fohrenburgstraße soll er einen Baubescheid unterschrieben haben, der nicht alle Voraussetzungen erfüllt hat: Bis hierher klingt das Urteil ausschließlich brutal und bestärkt all jene, die feststellen, dass ein Ortschef nicht immer wissen kann, was er besiegelt; dass er sich auf das verlassen können muss, was ihm von Mitarbeitern vorgelegt wird.

Anders lässt sich die Funktion nicht ausüben. Auch für einen Bürgermeister hat der Tag nur 24 Stunden. Und selbst wenn es 48 wären, könnte er unmöglich alle Bestimmungen kennen, die es allein zum Thema Bauen gibt. Dazu müsste er Fachjurist, Statiker und mehr sein.

Würden hier durch Gerichte also unerreichbare Maßstäbe gesetzt werden, wäre das ein Problem: Es würde noch schwieriger werden, geeignete Leute zu finden, die es sich antun, in die Politik zu gehen und Verantwortung zu übernehmen. Belastungen und persönliche Risiken wären nicht mehr zumutbar.

Umso relevanter sind die Umstände, die Staatsanwalt und Richter im Prozess diese Woche sahen. Sie sind zum Beispiel der Überzeugung, dass Tschann den Baubescheid unterschrieben hat, obwohl er gewusst habe, dass es zu überarbeitende Punkte gebe. Ein Vorwurf, der dem Ganzen eine andere Qualität gibt. Wobei vollkommen offen ist, wie das ausgeht: Für Tschann, der den Vorwürfen entgegentritt, gilt die Unschuldsvermutung. Das letzte Wort ist noch lange nicht gesprochen.

Allein schon, was bisher geschehen ist, steht jedoch für einen Wandel: Rechtlich wird immer strenger bewertet, was Amtsträger tun. Das macht es für Betroffene selbstverständlich zunehmend schwieriger, ihren Pflichten gerecht zu werden. Es wäre aber auch ein Anlass, über Konsequenzen nachzudenken und sie allenfalls im Rahmen einer ohnehin überfälligen Staatsreform beispielsweise zu ziehen: Wenn man etwa findet, dass Bürgermeister grundsätzlich nur unzureichend als Baubehörde geeignet sei können, dann wäre es eine Möglichkeit, das zu ihrer Entlastung einer anderen Ebene zu übertragen.

Für eine solche Debatte würde es ohnehin auch einen weiteren Anlass geben: In der jüngeren Vergangenheit häuften sich österreichweit Berichte, wonach Vertreter von Gemeinden, die Umwidmungen beschließen, persönlich davon profitierten. Offenbar wird da genauer hingeschaut. Das wäre jedenfalls eine Erklärung dafür, dass mehr solche Fälle öffentlich werden. Das ist gut so.

Gerade auch im Sinne der Kommunalpolitiker, die sich bei mäßiger Bezahlung rund um die Uhr abrackern und darauf bedacht sind, korrekt zu agieren und deren Ruf hier mit beschädigt wird, wäre es nun aber wichtig, zu fragen: Was ist nötig, damit derartige Grundstücksdeals in Zukunft ganz unterbleiben? Damit niemand mehr auf die Idee kommt, sich darauf einzulassen? Mehr Kontrolle oder eine andere Kompetenzverteilung etwa?

Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.