Warum nicht der Bürgermeister Baubescheide unterschreiben muss

Politik / 22.12.2024 • 17:35 Uhr
Warum nicht der Bürgermeister Baubescheide unterschreiben muss
Simon Tschann musste sich vergangene Woche vor dem Landesgericht in Feldkirch verantworten. VN/Hartinger

Experte Bußjäger erklärt, dass Bürgermeister ihre Unterschriftbefugnis auch an die Abteilungen delegieren können.

Schwarzach Wie geht es nach dem erstinstanzlichen Urteil gegen den Bludenzer Bürgermeister Simon Tschann (ÖVP) weiter? In der eigentlichen Frage ist die Antwort relativ einfach: Tschann und die Staatsanwaltschaft haben Berufung eingelegt, das Urteil wegen Amtsmissbrauchs ist also nicht rechtskräftig – die Sache wird sich noch eine Weile ziehen. Interessant ist die Frage aber auch für die 95 anderen Gemeinden in Vorarlberg. Schließlich sind die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister überall oberste Baubehörde.

Peter Bußjäger wird führendes Mitglied im UPTS.  Gorbach
Peter Bußjäger.  Gorbach

Für Verfassungsjurist und Universitätsprofessor Peter Bußjäger hat der Fall zwei Dinge verdeutlicht. “Er zeigt, dass der Bürgermeister generell ein exponiertes Organ ist und dass er Verantwortung hat. Und er zeigt, dass ein Bürgermeister in größeren Gemeinden natürlich nicht alles durchlesen kann, was er unterschreibt.” Dazu würden ihm auch die fachlichen Erkenntnisse fehlen. “Was soll er mit einem Bescheid anfangen, in dem 35 Auflagen zum Brandschutz, Hochbau und allen möglichen Dingen stehen? Er muss schon auf die Verwaltung vertrauen”, betont Bußjäger.

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Bußjäger verweist auf jene Gemeinden, die die Baubescheide delegiert haben. Die zuständigen Abteilungen sind vom Bürgermeister mit einer sogenannten Approbationsbefugnis ausgestattet worden. “Dann können auch Leiter der Baurechtsabteilung Baubescheide unterschreiben”, erläutert der Jurist. Das geschehe auch auf Landes- oder Bundesebene regelmäßig. “In Wien werden zig Bescheide im Namen des Ministers ausgestellt, von denen der Minister keine Ahnung hat”, sagt Bußjäger.

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In den Gemeinden dürfte es oft einen Mittelweg geben, fährt er fort. “Bei einem umstrittenen Bauvorhaben wird der Bürgermeister einen Bescheid auch dann lesen, wenn der Sachbearbeiter unterschreiben könnte. Wie auch in der Bezirkshauptmannschaft oder im Landhaus wird die Politik bei sensiblen Geschichten fragen, ob das passt.”

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Wichtig sei, dass es den Bürgermeister nicht von seiner Verantwortung entbinde, wenn er die Unterschriften delegiert. “Allerdings”, erklärt der Experte, “Wenn der zuständige Sachbearbeiter eine Fehlhandlung begeht, zum Beispiel ein Gutachten eines Sachverständigen ignoriert, dann ist ihm die Sache zuzuordnen. Wenn der Bürgermeister tatsächlich davon nichts weiß, dann kann er keine Straftat begehen.” Die persönliche Haftung würde am Bürgermeister vorbei gehen, die politische Verantwortung aber nicht. Anders sieht die Sache aus, wenn der Bürgermeister selbst unterschreibt. “Dann ist er verantwortlich, ob er den Bescheid liest oder nicht.”

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Der Bludenzer Bürgermeister Simon Tschann ist vergangene Woche wegen Amtsmissbrauch und falscher Beurkundung zu elf Monaten auf Bewährung und 51.000 Euro Strafe verurteilt worden. Er soll einen Baubescheid unterschrieben haben, obwohl nicht alle Voraussetzungen erfüllt gewesen sein sollen. Tschann rechtfertigte sich, dass er den Baubescheid nie gelesen hat. Der Richter glaubte ihm nicht. Nun ist die nächste Instanz an der Reihe.

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