Mit Neuwahlen ist zu rechnen

Politik / 03.01.2025 • 20:58 Uhr
Mit Neuwahlen ist zu rechnen

Es wirkt verrückt: Seit der Nationalratswahl ist der Zuspruch zur FPÖ weiter gestiegen. Laut APA-Umfragetrend hat sie von knapp 29 auf 35,5 Prozent zugelegt, würde Herbert Kickl mit seiner Partei einen noch größeren Triumph erzielen. Als Kanzler wäre er damit wohl nicht mehr verhinderbar. Zumal die ehemaligen Großparteien weiter verlieren würden. Die ÖVP von Karl Nehammer von rund 26 auf 21 Prozent und die SPÖ von Andreas Babler von 21 auf 19,7 Prozent.

Von daher könnte eher nur Kickl an Neuwahlen interessiert sein. Und trotzdem handelt es sich nach dem Scheitern der schwarz-rot-pinken Koalitionsverhandlungen um die wahrscheinlichste Variante. Wie ist das erklärbar?

Grundsätzlich möglich ist viel. Auch an Bundespräsident Alexander Van der Bellen vorbei, der ja von der Usance abgewichen ist, dem Vorsitzenden der stimmenstärksten Partei den Regierungsbildungsauftrag zu erteilen; also Kickl. Vor 25 Jahren haben ÖVP und FPÖ das damalige Staatsoberhaupt Thomas Klestil vor vollendete Tatsachen gestellt und eine Koalition fixiert. Theoretisch könnte die FPÖ jetzt Vergleichbares zum Beispiel mit der SPÖ versuchen. Für diese ist derlei jedoch kategorisch ausgeschlossen.

Das leitet dazu über, dass die ÖVP entscheidend bleibt bei der Regierungsbildung: De facto kann es gegen sie keine Konstellation mit Mehrheit auf parlamentarischer Ebene geben, eine solche ist nur mit ihr möglich. Doch welche? Schwarz-Rot-Pink ist erledigt. Schwarz-Rot hätte erstens – mit 92 von 183 Mandaten – lediglich eine hauchdünne Mehrheit im Hohen Haus. Zweitens werfen Schwarze Roten vor, dass die Verhandlungen mit den Pinken wegen ihnen gescheitert sind. Das lässt tief blicken: Man kann nicht miteinander. Das ist keine Grundlage für eine Zusammenarbeit. Schwarz-Grün ist aus Sicht der ÖVP kaum vorstellbar, hat sich die Partei in den vergangenen zwei Jahren doch gezielt von ihrer bisherigen Koalitionspartnerin distanziert. Hintergrund: Mit Klimaschutz, so die Befürchtung, verliert man in Zeiten wie diesen, in denen die Leute krisenmüde sind, nur noch mehr Stimmen.

Blau-Schwarz wiederum steht nicht nur Nehammer im Weg, für den eine Koalition mit Kickl nicht in Frage kommt und der daher weichen müsste: Wenn er das tun würde, müsste sich die ÖVP unter neuer Führung auf unabsehbare Zeit mit der Rolle des Juniorpartners begnügen. Und eine solche wäre bei einem Kanzler Kickl nicht einmal für ein Supertalent reizvoll, als das etwa Sebastian Kurz einmal galt.

Bleibt die Variante Neuwahlen, bei der man sich durch Umfragewerte aus den vergangenen Wochen nicht täuschen lassen sollte. Durch das Scheitern der schwarz-rot-pinken Verhandlungen werden die Karten neu gemischt. In der SPÖ hat der Aktivist Rudolf Fußi eigenen Angaben zufolge genug Unterschriften gesammelt, damit es zu einer Abstimmung über den Vorsitzenden kommen muss. Andreas Babler ist ohnehin angezählt. Neos können nicht davon ausgehen, dass ihre Wähler einverstanden sind mit ihrer Vorgangsweise: Die meisten wollen sie in Regierungsverantwortung sehen. Und eine Chance darauf tut sich nur alle heiligen Zeiten einmal auf. Nehammer hat das Glück, dass es in der ÖVP noch keine Alternative gibt zu ihm. Halten kann er sich jedoch nur als Kanzler. Und das geht auf Dauer nur mit einem entsprechenden, neuen Wahlergebnis.