Stainer-Hämmerle über eine Zweierkoalition: “ÖVP und SPÖ können das Risiko schon eingehen”

Politik / 03.01.2025 • 20:44 Uhr
Kathrin Stainer-Hämmerle
Kathrin Stainer-Hämmerle hält eine Zweierkoalition für möglich. Zinner

Politikwissenschaftlerin Kathrin Stainer-Hämmerle spricht im VN-Interview über die Auswirkungen des Verhandlungsabbruchs.

Schwarzach, Klagenfurt Wie geht es jetzt weiter? Wer muss nun gehen? Und wer profitiert? Politikwissenschaftlerin Kathrin Stainer-Hämmerle mit einer ersten Einordnung nach dem Aus der Regierungsverhandlungen.

Was ist denn heute passiert?

Kathrin Stainer-Hämmerle Die Neos haben die hohe Erwartung geschürt, dass sie eine große Dynamik reinbringen. Offensichtlich hat Beate Meinl-Reisinger erkannt, dass sie sich zu wenig durchsetzen kann. Man darf nicht vergessen, dass die Neos die einzige Partei ist, die einen Koalitionsvertrag zwingend laut Statut von den Mitgliedern abstimmen lassen muss. Wenn keine Leuchttürme drinnen sind, ist die Gefahr groß, dass die Mitglieder den Vertrag ablehnen.

Scheitern liegt in der Natur von Verhandlungen. Warum werden die Neos jetzt dafür so breit kritisiert?

Stainer-Hämmerle Beate Meinl-Reisinger hat jetzt gesagt, dass es schwer gewesen sei, vor die Presse zu treten, um nichts zu sagen, weil nichts weitergegangen ist. Davor haben aber alle Parteien Optimismus verbreitet. Man hatte den Anschein, es gibt zwar Hindernisse, aber im Großen und Ganzen läuft es ganz gut. Der Schritt jetzt kommt deshalb überraschend, weshalb sich die Bevölkerung hintergangen fühlt.

Sind die Verhandlungen gescheitert?

Stainer-Hämmerle Das würde ich nicht sagen. Auch wenn nur ein Mandat die Mehrheit sichert, können ÖVP und SPÖ das Risiko eingehen. Die Fraktionsdisziplin in diesen Parteien ist hoch. Ich glaube nicht, dass sich eine Gruppe abspaltet. Und FPÖ, SPÖ und Grüne werden nicht gemeinsam einen großen Oppositionsblock bilden. Die Neos haben bei den ausverhandelten Projekten schon Zustimmung signalisiert. Aber kommunikativ wäre es sehr schwierig. Wie erzählt man den Menschen, dass es keine furchtbare Stillstandskoalition ist, sondern etwas ganz Neues?

Kommt also eine ÖVP-SPÖ-Koalition?

Stainer-Hämmerle Es ist wirklich schwierig zu sagen. Inhaltlich wären ÖVP und SPÖ fast nicht kompatibel. Aber es gibt Gewerkschafter und einige Landesorganisationen, die eine solche Koalition befürworten würden. Ein weiteres Szenario wäre, dass Nehammer den Weg freimacht, dann könnte die ÖVP mit der FPÖ koalieren. Und zwar als Juniorpartner, wie schon in der Steiermark. Eine weitere Variante wäre eine Neuwahl, aber das will keine Partei außer der FPÖ. Die ist im Aufwind, hat volle Kassen und ist kommunikativ am besten aufgestellt. Für ausgeschlossen halte ich, dass Babler geht und die SPÖ mit der FPÖ koaliert. Ich sehe keinen Proponenten dafür in der SPÖ. Georg Dornauer in Tirol ist weg und Hans Peter Doskozil wird im Burgenland eine Niederlage verdauen müssen.

Welche Rolle bei diesen Überlegungen spielen die kommenden Wahlen?

Stainer-Hämmerle Die Gemeindewahlen in Niederösterreich, Steiermark und Vorarlberg könnten für die ÖVP unangenehm werden. Aber bei Nehammer geht es wirklich um die Kanzlerfrage. Die Landtagswahlen im Burgenland und in Wien könnten den Druck auf Babler erhöhen. Aber auch dem Wiener Bürgermeister Michael Ludwig wäre blau-schwarz vor der Wahl im Oktober ein willkommenes Feindbild im Bund. Das hatte Michael Häupl auch schon nutzen können.

Werden die Parteichefs die aktuelle Situation politisch überleben?

Stainer-Hämmerle Karl Nehammer nicht, wenn er die Koalition mit der SPÖ nicht zustande bringt. Er steht und fällt mit der Frage, ob er Kanzler wird. Andreas Babler eher schon. Ich sehe keinen Grund, warum er versagt haben könnte. Er hatte den Aufstieg zum Vizekanzler vor sich, aber sonst wird er Klubobmann im Parlament, das war er davor auch nicht. Bei Beate Meinl-Reisinger weiß man nicht, ob sie nicht einfach die Lust verliert. Und es gibt ein paar Männer in der Partei, die ihr vorwerfen könnten, dass sie es nicht geschafft hat. Sie könnte aber vor allem an der Eigenmotivation scheitern.

Wie sieht die Stimmung vor einer möglichen Neuwahl aus?

Stainer-Hämmerle Naja, wie ist die Stimmung? Viele Menschen haben Sorge um den Arbeitsplatz, Migration ist ein Thema. Terror ist rundherum in den Medien. Das sind alles Themen, die der freiheitlichen Partei nutzen. Da braucht es gar keine gescheiterten Regierungsverhandlungen mehr.