Michael Prock

Kommentar

Michael Prock

Die Rüpel-Republik

Politik / 06.01.2025 • 17:25 Uhr

Aufmerksamkeit ist die harte Währung der Politik. Politik ist Show. Auffallen um jeden Preis. So sehr, dass die Frage erlaubt ist: Was meinen die Politikerinnen und Politiker ernst, und was gehört zur Show? Alle beklagen, dass der Ton rauer wird. Wie viel Kalkül steckt dahinter? Dem Image der Politik ist diese Amerikanisierung jedenfalls nicht förderlich.

„Diese Mumie in der Hofburg, dieses politische Chamäleon. Dass er ein bissel senil ist, haben wir vorher schon gewusst.“ So sprach Herbert Kickl, wahrscheinlicher zukünftiger Bundeskanzler Österreichs, über Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Die Coronagesetze bezeichnete er als „gesundheitspolitisches Kriegsrecht“, die EU sei dabei, „im Gleichklang mit der ihr hörigen schwarz-grün-rot-pinken Einheitspartei“ den Wohlstand auszuhöhlen.

Herbert Kickl ist nicht gerade für seine diplomatische Wortwahl bekannt. Markige, teils heftige und beleidigende Sprüche gehören in seinen politischen Werkzeugkasten – Attacken statt Manieren. Trotzdem dürfte er neuer Bundeskanzler werden. Was Trump kann, kann Kickl auch: Politischen Gegnern drohte er mit einer Fahndungsliste nach Corona.

Sind wir mittlerweile so abgestumpft, dass wir Beleidigungen gegen politische Gegner und gegen die kritische Presse achselzuckend als gegeben hinnehmen? Haben wir resigniert? Ist Politik eben so?

Christian Stocker ist der neue Mann an der ÖVP-Spitze. Noch als ÖVP-Generalsekretär warnte er vor der Wahl: „Wer Kickl wählt, wählt fünf Jahre Hochrisiko mit radikalen Ideen.“ Kickl bezeichnete er als rechtsextrem, die FPÖ sei vom Ausland beeinflusst. Und nach der Wahl bekräftigte er: „Ganz klar ist, dass auch heute gilt, was wir gestern gesagt haben, und das wird auch morgen nicht anders sein: dass wir mit Herbert Kickl in Regierungsverantwortung keine Zusammenarbeit haben werden.“ Kickl sei ein Sicherheitsrisiko.

Nun möchte Stocker Kickl zum Kanzler machen, und die ÖVP begnügt sich mit der Juniorpartnerrolle. Was vorher gesagt, betont, bekräftigt und unverrückbar festgehalten wurde, zählt nicht mehr. Was sollen wir überhaupt noch glauben? Eines wissen wir jedenfalls endgültig: Antworten auf Fragen nach möglichen Koalitionen oder Nicht-Koalitionen sind wertlos

Es wird geschimpft, abgelehnt, verunglimpft – und innerhalb weniger Stunden die Kuscheldecke ausgepackt. Was können wir noch glauben, wenn ein Politiker oder eine Politikerin vor die Presse tritt und etwas “ganz klar und eindeutig” (eine häufig verwendete Phrase) betont? Wo ist die Handschlagqualität in der Politik geblieben? Wo der Respekt vor der Würde des Amtes? Müssen wir uns einfach daran gewöhnen, dass sich die Sprache in der Politik verändert hat, wie der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer dieser Tage in einem Interview resigniert festgestellt hat?

Dass ein Wahlgewinner und Vorsitzender der stimmenstärksten Partei Kanzler wird, ist eigentlich politische Normalität. Die Auswirkungen einer blau-schwarzen Regierung lassen sich erst später beurteilen. Eines steht jedoch schon fest: Verbal weht im Kanzleramt künftig ein rauerer Wind. Bei Kickl wäre es gar nicht so schlecht, wenn den harten Worten nicht auch Taten folgen würden. Die Zeiten von Fahndungslisten im Kanzleramt sollten längst vorbei sein.