Eile mit Weile

Politik / 08.01.2025 • 16:28 Uhr
Eile mit Weile

Vorarlberg und Steiermark zeigen es vor: So ein Koalitionsabkommen ist keine Hexerei, es kann rasant auf die Beine gestellt werden. Ein zweiter Blick, zumindest in das Vorarlberger Schriftstück, offenbart allerdings, weshalb es sich manchmal lohnt, die Dinge genauer zu betrachten. FPÖ und ÖVP sind gut beraten, sich die nötige Zeit vorzunehmen. Aber nicht zu lange.

Politik ist ein schwieriges Geschäft. Die Bevölkerung möchte alles, und das sofort. Die Politik verspricht alles, ebenfalls sofort. Und dann schlagen die politisch Verantwortlichen auf dem Boden der Realität auf. Dieser Boden ist steinhart und schwer sanierungsbedürftig. Sechs Milliarden Euro pro Jahr sind dafür nötig. Um dieses Geld zu finden, ist Zeit nötig. Da reicht es nicht, die Vorschläge der Wahlprogramme ins Regierungsprogramm zu schreiben. Zumal die meisten Wahlversprechen Geld kosten: CO₂-Steuer abschaffen, Lohnnebenkosten senken, Steuern senken, Pensionen erhöhen … Mit “Zuwanderung ins Sozialsystem stoppen” lassen sich diese Ideen nicht finanzieren.

Die Freiheitlichen möchten aus dem Luftraumschutzprojekt SkyShield aussteigen. Das bringt zwar einmalig sechs Milliarden Euro, dürfte aber ein vielfaches kosten, sollte die Bundesregierung die Neutralität tatsächlich ernst nehmen. Denn Österreich müsste sich selbst schützen können. Ein Blick in die Ukraine zeigt, weshalb das auch nötig ist.

Vor den Toren Europas legt ein Autokrat ein demokratisches, friedliches Land seit bald drei Jahren in Schutt und Asche, terrorisiert die Bevölkerung und vernichtet Existenzen. Der EU Kriegstreiberei zu unterstellen, weil sie der Ukraine hilft, sich zu verteidigen, grenzt an Zynismus. Ob die FPÖ ihre Extremposition aufgibt und sich von einem Juniorpartner ÖVP davon überzeugen lässt, sich in die europäische Wertegemeinschaft einzugliedern, dürfte ein großer Stolperstein der Koalitionsverhandlungen werden.

„Politik ist ein schwieriges Geschäft. Die Bevölkerung möchte alles, und das sofort.

Viele Sparvorschläge hören wir seit Jahrzehnten. Oft vorgenommen, selten ernsthaft umgesetzt: Förderungen durchforsten, Verwaltungsprozesse straffen, Bürokratie abschaffen. Vielleicht wäre es an der Zeit, diese Punkte seriös anzugehen. Andere Vorhaben dürften außer Streit stehen: Mit der Bildungskarenz haben FPÖ wie ÖVP keine Freude, auch der Klimabonus dürfte der Vergangenheit angehören. Ohne große Reformen lässt sich das sechs Milliarden Loch im Boden der Realität aber nicht sanieren, zumal sich keine neuen Löcher aufreißen sollten. Ob sich blau und schwarz ans Eingemachte trauen? An eine Pensionsreform?

FPÖ und ÖVP stehen vor einer Mammutaufgabe. Sie sollten sich genügend Zeit dafür lassen. Aber nicht zu viel: Noch einmal 100 Tage Wartezeit, bis überhaupt klar ist, dass die Parteien doch nicht miteinander können, haben sich die Wählerinnen und die Wähler nicht verdient. Eine neue Wahl übrigens auch nicht.