EU-Politik unter Kanzler Kickl: “Klingelnde Alarmglocken”

Politik / 13.01.2025 • 14:32 Uhr
EU-Politik unter Kanzler Kickl: "Klingelnde Alarmglocken"
Herbert Kickl könnte bald österreichischer Bundeskanzler werden. Seine FPÖ gilt als EU-skeptisch. APA/Steinmaurer

30 Jahre EU-Beitritt: Rund um FPÖ-Regierungsbeteiligung gibt es Bedenken. Experte verweist auf Befürchtungen unter Geheimdiensten. Freiheitliches Urgestein hält sie für überzogen.

Schwarzach Der 1. Jänner 2025 markiert ein wichtiges Datum: Der EU-Beitritt Österreichs jährt sich zum 30. Mal. Doch nun steuert das Land auf eine FPÖ-ÖVP-Kanzlerschaft unter Herbert Kickl zu. Die Freiheitlichen gehören im Europaparlament der rechten EU-skeptischen Fraktion „Patrioten für Europa“ an. Die Partei will EU-Kompetenzen zurückbauen und gilt für viele als Russland-nahe. Das freiheitliche Urgestein Hubert Gorbach hält das für überzogen. Aus der Sicht des EU-Experten Andreas Maurer könnte es unter einer blau geführten Regierung in bestimmten Bereichen aber durchaus zu einer Blockadehaltung kommen. Große Befürchtungen gebe es mit Blick auf die Geheimdienste.

EU-Politik unter Kanzler Kickl: "Klingelnde Alarmglocken"
EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola und Interimskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) anlässlich eines Antrittsbesuchs in Brüssel. Schallenberg betonte im Vorfeld: „Meine Botschaft ist klar: Österreich ist und bleibt ein starker, verlässlicher und konstruktiver Partner in der Europäischen Union.” APA/BKA

Nicht wie in Ungarn

Auf die Frage, wie sich denn die EU-Politik Österreichs entwickelt wird, verweist Maurer auf Schnittmengen zwischen FPÖ und ÖVP, etwa in der Asyl- und Migrationspolitik. Hier könnte Österreich auf europäischer Ebene künftig in bestimmten Fragen auf der Bremse stehe. An eine ähnliche Entwicklung wie in Ungarn unter Viktor Orban glaubt der Experte aber nicht. Budapest hat etwa Urteile des Europäischen Gerichtshofs nicht befolgt, wegen Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit verlor es Anspruch auf EU-Hilfen. Mehrfach lobte Kickl Orban. „Der Ungarn-Fall wäre erreicht, wenn sich Österreich nicht an einen Urteilsspruch halten würde. Ich kann mir schwer vorstellen, dass eine Regierung mit ÖVP-Beteiligung da mitmachen würde.“

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“Ja” gegen Parteilinie

Einer, der ab 2003 Teil einer schwarz-blauen, später schwarz-orangen Bundesregierung war, ist der frühere Vizekanzler und Verkehrsminister Hubert Gorbach. Im Zuge der Volksabstimmung 1994 zum Beitritt, damals als Landesrat und Vorarlberger FPÖ-Chef, machte sich Gorbach für ein “Ja” stark – im Gegensatz zur Parteilinie und Jörg Haider. Die Vorteile hätten für ihn damals überwogen, sagt Gorbach. Insgesamt seien es vor allem wirtschaftliche Gründe gewesen, aber auch die Idee als Friedensprojekt.

EU-Politik unter Kanzler Kickl: "Klingelnde Alarmglocken"
Der frühere Vizekanzler Hubert Gorbach hebt die Bedeutung kritischer Geister hervor. APA/Gindl

Gorbachs Euphorie bekam einen Dämpfer, als die übrigen EU-Mitglieder Österreich wegen der FPÖ-Regierungsbeteiligung mit Sanktionen belegten. “Wie kann die EU gegen ein Familienmitglied Strafen verhängen, wenn sie nach einer demokratischen Wahl eine demokratisch zusammengekommene Regierung bildet? Das war für mich ein Hammer.” Der Frastanzer glaubt, dass sich die heute EU, bei allen Vorteilen wie der Freizügigkeit und der Währungsunion, in vielen Bereichen nicht bewährt habe, zum Beispiel was die Migrationspolitik und den Schutz der Außengrenzen angehe. Sie kümmere sich auch oft um Aspekte, die staatlich oder regional vor Ort besser gelöst werden könnten. “Ich bin nach wie vor ein Europäer für die EU, aber für eine bessere, für eine andere. Ändern wird sie sich nur, wenn es kritische Geister gibt.”

Der Vorwurf der Russland-Nähe hält Gorbach jedenfalls nicht für berechtigt. “Da wird sehr viel der FPÖ zugeschrieben”, und verweist auf die Bedeutung der Neutralität – trotz aller nachvollziehbaren Kritik am russischen Krieg gegen die Ukraine. Die Sanktionen gegen Russland schadeten auch der österreichischen Wirtschaft.

Andreas Maurer verweist auch auf die gestärkte Rolle der Nato.  LFU
Der Politikwissenschaftler und EU-Experte Andreas Maurer lehrt und forscht an der Universität Innsbruck. Universität Innsbruck

Alarmglocken klingeln

Maurer gibt zu bedenken, dass die Entwicklung der vergangenen Tage auf europäischer Ebene als sehr kritisch wahrgenommen wird. „Was Verfassungsschutz und Geheimdienste angeht, klingeln die Alarmglocken“, erläutert der Politologe mit Blick auf die vermutete Nähe der FPÖ zu Moskau. Die Befürchtung sei auch groß, dass der Kreis jener Staaten, welche die Sanktionspolitik und eine weitere Unterstützung der Ukraine ablehnen, größer wird. „Die Front gegen Russland könnte wackeln. Das bereitet vielen Sorge.“