Budget gerettet. Planet tot.
„Die größte Bedrohung für unseren Planeten ist der Glaube, dass jemand anderes ihn retten wird.“ Der Polarforscher Robert Swan hatte vermutlich nicht die österreichische Innenpolitik im Sinn, als er diesen Satz prägte. Doch passt er heute umso besser. Unsere neue Koalition aus FPÖ und ÖVP hat beschlossen, diesen Glauben zur Staatsdoktrin zu erheben.
Natürlich – es gibt einige kleine Vorbehalte gegen Herbert Kickl als Kanzler. Rechtsradikal, spalterisch, xenophob. Aber lassen wir das beiseite! Selbst wenn man Kickl und Co. inhaltlich unbefleckt betrachtet, reicht das völlig aus, was gerade in den Koalitionsverhandlungen veranstaltet wird. Denn während das Klima uns buchstäblich um die Ohren fliegt, wird es in der politischen Agenda von Blau-Schwarz mit chirurgischer Präzision herausoperiert.
Der Klimabonus? Abgeschafft. Investitionen in erneuerbare Energien? Gekürzt. Steuerliche Vorteile für Elektroautos und Solaranlagen? Weg damit. Hat alles einen edlen Zweck: Man will ein EU-Defizitverfahren vermeiden. Und, Überraschung, das scheint vorerst gelungen zu sein. Ein Hoch auf Österreichs neue Budgetdisziplin – und ein herzliches Beileid an alle, die auf diesem Planeten noch ein paar Jahrzehnte leben wollen.
Die Ironie ist kaum auszuhalten: Wir retten die zukünftigen Budgets, indem wir die Zukunft zerstören. Zufall? Eher nicht. Es ist die Folge eines Machtspiels, bei dem die fossile Lobby einmal mehr am längeren Hebel sitzt. ÖVP-Wirtschaftsbund und Industriellenvereinigung wollten diese Verhandlungen ja ohnehin kippen, als SPÖ und Neos am Tisch saßen. Die Klimapolitik von Schwarz-Grün war ein rotes Tuch gewesen. Jetzt, mit der FPÖ als Partner, muss man sich nicht einmal mehr rechtfertigen. Man kann einfach durchregieren. Fossile Interessen first.
Dass die Wissenschaft längst Klartext redet, stört dabei niemanden. Eine Erderwärmung von 2,7 Grad bis Ende des Jahrhunderts? Überschwemmungen, Dürren, Massenmigration? Geschenkt. Die FPÖ verkauft derweil lieber die Mär von der „Klima-Diktatur“, während die ÖVP brav nickt. Vielleicht wird man in ein paar Jahren mal kurz innehalten, wenn selbst die Vorarlberger Skigebiete nicht mehr beschneibar sind.
Hannah Arendt schrieb: „Niemand hat das Recht zu gehorchen.“ Doch genau das tun wir: Wir gehorchen den Interessen von gestern, während die Welt von morgen verbrennt.
Und falls Sie noch Hoffnung hatten, dass die Wirtschaft vielleicht als treibende Kraft für Nachhaltigkeit auftreten könnte, dass man bei Pensionen oder Föderalismus sparen könnte: Vergessen Sie es! Mit Ausnahme einiger weniger grüner Vorreiter – etwa Hersteller von Wärmepumpen – applaudiert die Industrie fröhlich. Alles andere wäre ja schlecht fürs Geschäft. Dass dieses Geschäft ohne Klimaschutz bald keine Grundlage mehr hat? Ein Problem für spätere Generationen.
Aber keine Sorge: Wir haben jetzt kein Defizitverfahren. Das wird uns trösten, wenn die nächste Dürre unsere Landwirtschaft lahmlegt. Vielleicht können wir dann ja ein kleines Denkmal am trockenen Grund des Bodensees errichten. Aufschrift: „Hier ruht die Klimapolitik. Ein Opfer des Budgets.“
Herzlichen Glückwunsch, Österreich! Das Schweigen zum Klima hat eine neue Lautstärke erreicht.
Kommentar