Was Kickl stärker macht

FPÖ-Chef profitiert von Schwächen anderer Parteien und der Stimmungslage in Österreich.
SCHWARZACH. Vor vier Jahren um diese Zeit hatte Corona Österreich längst im Griff, waren politische Folgen aber noch nicht absehbar. Bei der Landtagswahl in Oberösterreich beispielsweise mussten die Freiheitlichen starke Verluste hinnehmen. Sie stürzten von rund 30 auf knapp 20 Prozent ab. Als große Gewinnerin galt die impfgegnerische Liste „MfG“. Sie kam von null auf über sechs Prozent. Das ist jedoch Geschichte.
Ziemlich genau vor vier Jahren entdeckte FPÖ-Chef Herbert Kickl, was möglich sein könnte. Er stellte sich an die Spitze einer Protestbewegung gegen Corona-Maßnahmen, sah, dass er ankam, und dass er, der in seiner Partei immer anderen gedient hatte, die wahre Nummer eins ist. Ebendort und darüber hinaus. Im Buch „Kickl und die Zerstörung Europas“ schreiben die Autoren von einem schicksalshaften Moment für Österreich und womöglich Europa. Wenig später beerbte Kickl Norbert Hofer als Bundesparteiobmann.

Im Jänner 2025 ist der 56-Jährige in einer Position, die stark ist wie noch selten eine eines Politikers auf nationaler Ebene: Er hat die FPÖ auf Platz eins geführt, den Regierungsbildungsauftrag erhalten und jetzt eine ÖVP als Verhandlungspartnerin, für die eine Zusammenarbeit mit ihm alternativlos wirkt.
Wie konnte es so weit kommen? Die Erklärung für letzteres ist einfach: Mit anderen Parteien ist die ÖVP gescheitert, und bei Neuwahlen müsste sie mit größeren Verlusten rechnen. Die Erklärung für Kickls Eigenleistung ist länger.
Ibiza-Video“ eher unvorstellbar
Wesentliche Voraussetzungen dürften sein, was ihn kennzeichnet: Er ist extrem kontrolliert. Ein „Ibiza-Video“ mit ihm ist eher unvorstellbar. Zweitens: Er kann Stimmungen lesen wie kaum ein anderer. Das bedeutet, dass er erkennt, was Menschen bewegt und es gezielt ansprechen kann. Drittes: Er geht kompromiss- und hemmungslos damit um, sieht durch Rechte allenfalls veränderbare Grenzen und setzt politische Gegner schon einmal auf Fahndungslisten.

„Protestbewegungen wie die FPÖ sind dort erfolgreich, wo Menschen das Gefühl haben, dass Regierende die Empathie mit ihnen verloren haben“, sagt der Sozialforscher Christoph Hofinger. In Zeiten multipler Krisen sei das stärker der Fall: Wahrnehmungen in der Pandemie, ob in Lockdowns oder im Zusammenhang mit der Impfung, aber auch Wahrnehmungen in der Teuerung hätten eher zum Eindruck geführt, dass man als kleiner Mann oder kleine Frau egal sei. Genau darauf geht Kickl ein, verspricht, ihnen zu dienen und sich bei „denen da oben“ zu rächen.
Derlei schadet ihm nicht, ist Hofinger überzeugt. Dass er der FPÖ bei der Nationalratswahl eine relative Mehrheit bescheren konnte, hat demnach damit zu tun, dass es von den einen Wählern in Kauf genommen wird und andere sagen, dass es genau das jetzt brauche; und zwar mit der Begründung, dass Demokratie für das Versprechen stehe, dass alle gleich seien, das aber durch Regierende nicht mehr gewährleistet werde.

Was Kickl und die FPÖ trägt ist laut dem Politikwissenschaftler Peter Filzmaier ein massiver Wunsch nach Veränderung. In den vergangenen fünf Jahren habe sich der Anteil der Wähler, die eine negative Entwicklung Österreichs sehen, verdreifacht. Eine solche Stimmungslage schade umgekehrt „neben hausgemachten Problem- und Skandalfällen, naturgemäß der ÖVP als Kanzlerpartei bzw. generell Traditionsparteien und somit auch der SPÖ“. Wobei: An der Spitze der beiden Parteien finde trotz aller Wahlniederlagen bis heute auch kein kritisches Hinterfragen statt, was sie falsch gemacht haben und daher ändern könnten.