Johannes Huber

Kommentar

Johannes Huber

Herdprämie

Politik / 25.01.2025 • 07:05 Uhr

Aufs Erste mag es gut klingen, Familien mehr Geld zu überweisen, wenn sie sich dafür entscheiden, ihr Kind in den ersten Lebensjahren zu Hause zu behalten, wie dies in Schwarzenberg und Oberösterreich bereits gemacht wird oder von Schwarz-Blau im Land geplant und einer allfälligen Koalition von FPÖ und ÖVP auf Bundesebene erwogen wird. Genauer: Hier könnte ein erhöhtes Kinderbetreuungsgeld von mehr als 1000 Euro pro Monat eingeführt werden.

Von Wahlfreiheit zu reden, ist in diesem Zusammenhang jedoch zynisch: Eine solche wird hier nicht gewährleistet. Im Gegenteil. Es ist daher berechtigt, von einer Herdprämie zu reden: Frauen werden noch mehr in einer Rolle gehalten, die sie für sich vielleicht ablehnen und die auch negative Folgen haben kann für sie.

Es wäre etwas anderes, wenn es keine Einkommensschere mehr geben würde; wenn junge Mütter und Väter ähnlich teilzeitbeschäftigt wären; und wenn flächendeckend genügend Kinderbetreuungsangebote bestehen würden.
Davon ist Österreich, davon ist Vorarlberg jedoch weit entfernt: Männer verdienen in der Regel viel mehr und arbeiten daher meist auch nach der Familiengründung „voll“ weiter. Zu viele Frauen müssen über mehrere Jahre hinweg beim Kind zu Hause bleiben, weil es bei den Betreuungsangeboten hapert. Es ist ein Glück für sie, wenn das ihren Idealen entspricht. Aber mehr als ein Pech, wenn es das nicht tut. Dann ist es Zwang.

Sie dafür zu bezahlen, verschärft Nachteile, die sie erfahren: Es ist ein Anreiz für sie, eher später als früher wieder erwerbstätig zu werden. Es trägt dazu bei, dass sie ein Leben lang noch weniger verdienen und auch in der Pension noch weniger haben. Es verstärkt ihre Abhängigkeit vom Partner. Auch hier gilt: Es ist ein Glück, wenn diese Abhängigkeit in einer gut funktionierenden Beziehung nicht wahrgenommen wird. Aber ein Schicksal, wenn es anders ist.

Wahlfreiheit bedeutet, sich frei entscheiden zu können. Selbstbestimmung von Frauen und Männern sowie die Möglichkeit, mit in den Vordergrund zu stellen, was für den Sohn oder die Tochter am besten erscheint. Es kann zum Beispiel sehr gut und wichtig sein für ein zweijähriges Einzelkind, in einem Kindergarten mit Gleichaltrigen zu lernen und zu wachsen.

Da geht es um geschlechter- und um familienpolitische Fragen. Und um weitere: Wer unter den erwähnten Umständen auf eine Herdprämie setzt, will sowohl für Frauen als auch für Wirtschaft und Wohlstand nicht nur Gutes. Natürlich: Das ist erlaubt. Es ist jedoch ein bemerkenswertes Statement von Parteien, die sich gerne so standortfreundlich geben: Arbeitskräftemangel, ob in Schulen, Betrieben oder Pflegeeinrichtungen, wird vergrößert, wenn Nicht-Erwerbstätigkeit gefördert wird.

Damit beschert man sich ein ganz anders Problem: Wie kann man die erwähnten Einrichtungen am Laufen halten, wenn man trotz Rückgang der Zahl der Unter 65-Jährigen auch noch Frauen fernhält vom Arbeitsmarkt? Wie stellt man sich das vor? Es ist ein Rätsel.

Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.