Langsame Mühlen
Die Redensart, dass Gottes Mühlen langsam mahlen, ist ein schwacher Trost für jene, denen die Herstellung von Gerechtigkeit und die Wirksamkeit gerechter Strafen zu lange dauert. Es mögen nicht alle auf das Jüngste Gericht warten. Im übertragenen Sinne drückt es oft auch Resignation aus, dass in der römisch-katholischen Kirche Entscheidungen häufig auf die lange Bank geschoben werden. Das ist ganz gut bei den Bischofsbestellungen zu beobachten, die sich über Jahre hinziehen können. Dabei ist es in der Regel aufgrund der Altersgrenze von 75 Jahren lange Zeit vorher bekannt, wann für einen Bischof ein Nachfolger zu bestellen sein wird. Zudem muss die Bischofskonferenz alle drei Jahre eine Liste von für das Bischofsamt geeigneten Priestern erstellen und nach Rom schicken.
Dass der Wiener Erzbischof Christoph Schönborn fünf Jahre über die Altersgrenze hinaus im Amt belassen wurde, kann man durchaus als Zeichen besonderer Wertschätzung sehen. Genutzt wurde die Zeit für die Suche nach einem Nachfolger allerdings nicht. Als er kürzlich an seinem 80. Geburtstag in den Ruhestand treten konnte und feierlich verabschiedet wurde, war von einem neuen Nachfolger weit und breit noch nichts zu sehen. In Liechtenstein hingegen wurde Erzbischof Haas an seinem 75. Geburtstag im September 2023 geradezu blitzartig und offenkundig gerne in den Ruhestand geschickt. Seither wird das Erzbistum Vaduz übergangsweise von unserem Diözesanbischof Benno Elbs verwaltet. Offenkundig gibt es in Rom eine Verunsicherung, was man mit diesem Mini-Erzbistum künftig überhaupt machen soll. Es war früher mit seinen zehn Pfarreien lediglich ein Dekanat des Bistums Chur und mit der Erhebung zum Erzbistum konnte der in Chur untragbar gewordene Bischof Haas weggelobt werden. Das Kuriose dabei ist, dass es im Gegensatz zu Liechtenstein in der ganzen Schweiz kein einziges Erzbistum gibt.
Dabei handelt es sich in Vaduz um ein Schmalspurbistum, die Bezahlung der Priester und der Erhalt der Kirchengebäude ist Angelegenheit der Gemeinden. Es bleiben somit in erster Linie Aufgaben der Repräsentation und der seelsorglichen Führung der Priesterschaft, die in Form einer Doppelfunktion auch von Feldkirch oder Chur aus von den dortigen Bischöfen wahrgenommen werden könnten.
Eine besondere Form der Bischofsbestellung gibt es in unserem Nachbarbistum St. Gallen, wo derzeit für Bischof Büchel ein Nachfolger zu bestellen ist. Dort wird – ebenso wie in Basel – der Bischof nicht vom Papst bestellt, sondern nach einem synodalen Prozess aller Gläubigen von 13 Vertretern der Priester gewählt. Das entspricht eigentlich ganz gut der päpstlichen Vision einer dezentralen Kirchenstruktur, während bei den Kirchenbehörden in Rom eine Bischofsbestellung offenbar immer noch als eine für absolute Monarchien typische Lehensvergabe angesehen wird.
Jürgen Weiss vertrat das Land als Mitglied des Bundesrates (ÖVP) zwanzig Jahre lang in Wien und gehörte von 1991 bis 1994 der Bundesregierung an.
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