Hanno Loewy

Kommentar

Hanno Loewy

Befreiung von Auschwitz?

Politik / 30.01.2025 • 07:05 Uhr

Am Montag jährte sich die Befreiung von Auschwitz zum 80. Mal. Gekrönte und ungekrönte Häupter sind pflichtschuldig an den Ort des größten Vernichtungslagers der Geschichte gefahren. Und haben pflichtschuldig den letzten angereisten Überlebenden das Wort überlassen. Ob sie zugehört haben? Ich weiß es nicht.

Schon 2020 hatten die Überlebenden den Politikern nicht das Feld überlassen – und stattdessen selbst die Gedenkfeier in die Hände genommen. Mein Freund Marian Tursky, er hat das Ghetto Lodz und das Vernichtungslager Auschwitz überlebt, hat damals vor jungen Menschen gesprochen. „Seid nicht gleichgültig! Wenn ihr seht, dass die Vergangenheit für aktuelle politische Zwecke missbraucht wird. Seid nicht gleichgültig, wenn irgendeine Minderheit diskriminiert wird. Das Wesen der Demokratie besteht zwar darin, dass die Mehrheit regiert, doch ihr Ethos besteht darin, dass die Rechte von Minderheiten geschützt werden.“

Der politische Missbrauch von Auschwitz ist seit dem 75. Jahrestag der Befreiung nicht weniger geworden. Mit „Auschwitz“ kann man heute die Hetze gegen Migranten genauso begründen wie postokolonialen Antisemitismus, Terror genauso wie Besatzungsherrschaft, einen Angriffskrieg in Europa genauso wie Rassismus gegen Muslime. Wirklich?

Auschwitz lehrt uns im politischen Alltag vielleicht wenig, schon gar nicht, ob eine Autobahn sinnvoll ist oder nicht, ob eine Bankenabgabe richtig oder falsch ist, ob Erbschaftssteuern gerecht oder ungerecht sind, oder wieviel Windkraft das Land braucht.

Aber gibt es am Ende nicht doch ein paar Dinge, die man „nach Auschwitz“ einfach nicht tut? Jedenfalls dann, wenn einem das Wort „Auschwitz“ nicht nur ein schlechter Witz ist?

Zum Beispiel einen „Volkskanzler“ ins Amt zu buckeln, der sich damit brüstet, wieder – wie einstmals – Fahndungslisten mit politischen Gegnern vorzubereiten? Der mit dem Faschismus kokettiert und mit Rachefantasien seinen Wahlkampf befeuert?

In die Berichte von der Gedenkfeier in Auschwitz mischten sich am Montag Einblicke in Koalitionsverhandlungen in Wien. Bankenabgabe? War das nicht gerade noch der Grund die Koalitionsverhandlungen mit der SPÖ zu sprengen. Nun ist sie wundersamerweise wieder da. Vielleicht haben FPÖ und ÖVP ihre Verhandlungen ja in die Redaktionsstube der Satireplattform „Die Tagespresse“ verlegt.

Ob wir aus dem bösen Traum irgendwann wieder aufwachen? Zur Befreiung von Auschwitz dürfen wir uns doch mal etwas wünschen.

Hanno Loewy ist Direktor des ­Jüdischen Museums in Hohenems.