Regieren unter Vorbehalt

Eine Koalition sei kein Wunschkonzert, pflegen Verantwortungsträger gerne zu argumentieren, wenn sie auf Kompromisse angesprochen werden. Man möchte ihnen entgegenhalten: Ein Regierungsprogramm irgendwie schon. Das Programm der Regierung Stocker 1 besteht aus 211 Seiten voller Ankündigungen und Überschriften. Allerdings – im Gegensatz zur Landesregierung im Herbst – mit vielen konkreten Zahlen und Zielen. Sollte der Verhandlungslänge etwas abgewinnen zu sein, dann die Inhaltsdichte. Jetzt muss das zarte Vorhabenspflänzchen mit Wasser gegossen und damit zur Entfaltung gebracht werden. Das Wasser der Regierung ist das Geld.
Eine Stichwortsuche gibt einen ersten Überblick über die Prioritäten einer Regierung. Wer nach “Vorarlberg” sucht, wird einmal fündig. “Landwirtschaft” schafft 22 Nennungen, “Kinderbetreuung” zwölf und “Integration” 71 Erwähnungen. Alles Begriffe, die in ähnlicher Menge schon im türkis-grünen Programm von 2020 zu finden sind. Inklusive einer Erwähnung von “Vorarlberg”. Gezeugt von den Krisen, geboren im Kreißsaal der Budgeterstellung, hat der “Budgetvorbehalt” das Licht der Regierungswelt erblickt.
Grundsätzlich stehen alle “zusätzlichen Mittel und Maßnahmen ab 2027″ (wie es im Programm heißt” unter einem “allgemeinen Budgetvorbehalt”). Soll heißen: Alles, was sich ÖVP, SPÖ und Neos über das Doppelbudget 2025 und 2026 hinaus vornehmen, wird nur angegangen, wenn das Geld vorhanden ist. Darunter fallen 20 Millionen Euro für das AMS, 60 Millionen Euro für die Verlagerung des Transports auf die Schiene, eine Qualifizierungsoffensive für 1000 neue Lehrlinge im Eisenbahnbereich (100 Millionen Euro jährlich) und Seniorentaxis. Auch die oft gehörte Forderung nach einer steuerlichen Besserstellung von Überstunden und Zuschlägen ist unter Vorbehalt gestellt.
Das gilt auch für die geplanten Ausgaben ab dem Jahr 2027 für Frauengesundheit (20 Millionen Euro), für die psychosoziale Gesundheit von Kindern und Jugendlichen, den Ausbau der Erstversorgungsambulanzen, Pflege- und Therapiepraxen sowie die Finanzierung des verpflichtenden zweiten Kindergartenjahres ab 2027.
Die Zeit der Vorbehaltsregierungen ist also angebrochen. Wir sehen das auch in Vorarlberg. Viele Vorhaben hängen an der Leine des Budgetvorbehalts, etwa die Ausweitung des Familienzuschusses – ein FPÖ-Herzensprojekt. Die ÖVP und die Freiheitlichen haben sich damit abgefunden, dass am Ende der schnöde Mammon entscheidet, ob Vorhaben, die es in der Prioritätenliste nicht ganz nach oben geschafft haben, umgesetzt werden können. Damit müssen sich jetzt auch ÖVP, SPÖ und Neos auf Bundesebene arrangieren. Umso wichtiger ist eine klare Liste an Maßnahmen, die unbedingt umgesetzt werden müssen. Eine Auflistung des Vorbehaltlosen. Denn eines ist gewiss: Etwas nicht zu tun, ist keine Alternative. Dann muss das Geld anders aufgetrieben werden. Sonst hätten wir erst gar nicht wählen müssen.